Geh Ich Auf Meine Hochzeit
wahrnahmen.
»Du bist keine Hexe, Evie«, linderte er ihre Zerknirschung. »Du bist gut und liebevoll, und ich bin stolz auf alles, was du in deinem Leben geschafft hast. Außerdem weiß ich, wie sehr du deine Mutter geliebt und vergöttert hast. Das war auch der Grund, weswegen ich mich nie auf eine Frau eingelassen habe, als du nach Tonys Tod wieder bei mir zu Hause einzogst. Du hast so viel durchleiden müssen. Also konntest du es vorerst nicht auch noch verkraften, wenn ich mit einer neuen Frau zusammen wäre.«
»Papa, es war wirklich unfair von mir - und ist eine Schande.« Evie würde gleich in Tränen ausbrechen. »Ich wollte doch nie...«
»Psst«, tröstete er sie. »Ich weiß, dass du das nie gewollt hast.« Er legte seine Hand unter ihr Kinn und hob ihr Gesicht ein wenig. »Aber jetzt freust du dich mit mir, nicht wahr?«
»Ja, Papa«, schluchzte sie. »Und wie. Bitte verzeih mir!«
Andrew umarmte sie. Als er ihr verweintes Gesicht sah, führte er sie von der Tanzfläche zu ihrem Tisch. Vida eilte herbei.
»Ist alles in Ordnung?«, erkundigte sie sich besorgt.
Das bejahte Andrew.
Vida, darauf bedacht, sich nicht einzumischen, wollte sich gerade wieder mit einem aufmunternden Lächeln verabschieden, als Evie sie am Arm zurückhielt.
»Geh noch nicht, Vida. Ich möchte mich auch bei dir entschuldigen, dass ich dir gegenüber so abweisend gewesen bin. Das war gemein von mir. Ich möchte euch alles Glück der Welt wünschen!«
Vidas Gesicht blieb einen Augenblick lang unbewegt, als wolle sie ihren Ohren nicht trauen. Dann lachte sie über das ganze Gesicht, beugte sich vor und küsste ihre frisch gebackene Stieftochter auf die Wange.
»Danke, Evie. Das rechne ich dir hoch an. Ich weiß, wie schwer es für dich am Anfang war.« Sie richtete sich auf. »Aber jetzt möchte ich schnell zu meinem Sohn zurück, ehe er mir abspenstig gemacht wird.«
»Max musst du unbedingt kennen lernen«, meinte Andrew begeistert.
»Ja, unbedingt«, echote Vida. »Er wird dir gut gefallen, weil er witzig ist.«
Zum Totlachen witzig, dachte sie. Immerhin hatte dieser Schuft seiner Mutter noch nichts davon erzählt, dass er Evie mittlerweile kannte.
»Und du musst unbedingt mit ihm tanzen«, fügte Vida hinzu.
»Es wäre mir ein Vergnügen«, säuselte sie. Nur jetzt noch nicht. Nicht, bevor sie ihm nicht gezeigt hatte, wie beliebt sie war. Danach konnte sie sich großzügig und auf eine distanzierte Weise höflich erweisen. Aber erst dann.
Die Familie Higgins freute sich sehr, sie zu sehen und versprach ihr einen schönen Braten, wenn sie es am Wochenende schaffen sollte, bei ihnen im Laden vorbeizukommen.
»Tausend Dank«, erwiderte Evie kokett, setzte sich und musterte den Mann, den sie vorhin als geeignet herausgepickt hatte, um Max eifersüchtig zu machen.
»Unser Sohn Paul!« Frau Higgins strahlte. »Zu Besuch aus London. Ihr müsst euch schon einmal begegnet sein, wie wir hier angefangen haben.«
»Ich erinnere mich«, log Evie. Als Max vom Tischende herschaute - sicherlich auf Anweisung seiner Mutter, sich mit ihr anzufreunden -, sagte sie: »Tanzen Sie, Paul?«
»Ah... ja.« Er musterte sie verblüfft. Ganz so attraktiv, wie sie aus der Ferne angenommen hatte, war er nicht - aber doch akzeptabel.
Evie erhob sich, nahm seine Hand und steuerte das Parkett an. Gerade fing sie noch den belustigten Blick auf, den Max ihr zuwarf. Sie lächelte huldvoll zurück.
Wohl wissend, dass er sie beobachtete, legte Evie eine kesse Sohle hin. Paul hatte zwei linke Füße und wenig zu sagen, doch wenn man Evie ihn bewundernd anlächeln sah, hätte man annehmen können, er sei der tollste Hecht im Saal.
Ihr war klar, dass sie sich wirklich gehen ließ. Wenn Cara, Olivia oder Rosie von ihrer Absicht wüssten, würde ihnen vor Schreck die Kinnlade runterfallen. Doch das spielte jetzt keine Rolle. Schließlich befand sie sich auf der Hochzeit ihres Vaters, die sie geschworenermaßen durchstehen wollte. Die normalen Regeln waren also zur Zeit nicht in Kraft.
Drei Tänze lang ließ sie Paul nicht wieder Platz nehmen. »Es macht so viel Spaß«, meinte sie fröhlich und ignorierte den Schmerz in ihren Füßen, den sie sich bei mehreren Zusammenstößen mit seinem kahnartigen Schuhwerk zugezogen hatte.
Max wirbelte an ihr vorbei, und Judith hing wie eine Klette an ihm. Er war ein guter Tänzer, bemerkte sie verärgert. Sein kräftiger Körper bewegte sich ausgesprochen geschmeidig. Judith schien sich großartig zu
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