Geh Ich Auf Meine Hochzeit
drinnen winkte bereits die Rezeptionistin und lächelte Evie zu. Evie hatte keine andere Wahl, als leicht idiotisch zurückzulächeln.
Sie bemühte sich um eine etwas bessere Haltung. Unmöglich konnte sie in dieser missmutigen Stimmung die Kunden empfangen. Privat- und Berufsleben musste man trennen können - das jedenfalls hatte sie unzähligen jüngeren Angestellten gepredigt, wenn diese den ganzen Tag darüber Tränen vergossen, dass ihr Freund sie verlassen oder aber sich eine blaue Linie auf ihrem Schwangerschaftstest gezeigt hatte. »Sie müssen sich zusammenreißen und im Büro professionell agieren, was auch immer passiert sein mag«, hatte sie sie ermahnt, jede Menge Tee gekocht und Feigenkekse verteilt. Wie entnervend sie geklungen haben musste!
»Lorraine, alle Chefs steigen die Leiter weiter nach oben. Wir müssen mit dem Strom schwimmen«, bemerkte sie schließlich. »Davis stand kurz vor der Pensionierung, irgendwann hätte er also ohnehin gehen müssen.«
»Da hast du schon Recht«, erwiderte Lorraine. Sie machte keinerlei Anstalten, die Tür zu öffnen. Offenbar wollte sie dieses Thema nicht im Haus weiter diskutieren. »Sein Neffe wird die Firma übernehmen«, wisperte sie.
Jetzt stöhnte Evie doch. »Dieses Rhinozeros!«, schimpfte sie. »Dann können wir uns gleich nach einem neuen Arbeitsplatz umsehen, denn er wird die Firma binnen dreier Monate in die Liquidation treiben.«
»Nicht dieser Neffe«, korrigierte Lorraine. »Der könnte noch nicht einmal ein Saufgelage in einer Brauerei organisieren! Es ist ein anderer - der Sohn von Davis‘ Bruder aus Belfast. Warte nur, bis du ihn siehst, Evie. Er ist blond, groß, und einfach zum Anbeißen sexy. Wenn du und ich Simon und Craig nicht so sehr lieben würden, würden wir einander die Augen auskratzen, um in seiner Nähe zu sein!
»Komm schon«, fuhr sie fort und schubste die Tür auf. »Mir gefällt deine offene Frisur. Sie wirkt viel weicher als dein gewohnter Pferdeschwanz. Woher hast du denn diese kupferfarbene Bluse? Ich verstehe gar nicht, warum du dich nicht öfters mal herausputzt - denn es steht dir!«
Rosie war vollkommen vernarrt in ihre Traumfabrik. Sie hörte und hörte nicht auf, davon zu erzählen, wie viele Stunden es dauerte, um nur fünf Minuten Film fertig zu stellen.
»Es ist faszinierend«, beteuerte sie ihrer Mutter. Sie lag auf dem Rücken im Gras und aß einen Apfel, während Evie wie wild Unkraut in ihrem kleinen Garten jätete. Unkraut schreckte potentielle Käufer ab. Das jedenfalls hatte Simon in seinem sauber getippten Memorandum geschrieben, in dem er sie in der Kunst des Haus Verkaufs unterwies. Unkraut, abblätternde Farbe und Pflanzen, die so aussahen, als ob sie in der Sahara Urlaub gemacht hatten, gehörten offenbar zu den Dingen, die unbedingt auszumerzen waren.
Ebenso unordentliche Küchen, herumliegendes Zeug und zu viele Möbel, die den Käufern die Vorstellung erschwerten, wo sie ihr Bücherregal aufstellen würden.
Evie hatte bereits den ganzen Vormittag mit dem Ausmisten des Wohnzimmers verbracht. Jetzt ähnelte es einem Zen-Refugium: keine Zeitschriften, keine Bücher, keine Familienfotos und keine Trinkbecher. Sie hatte den kleinen Tisch neben dem Fenster weggestellt, auf dem sich ihre Porzellantiersammlung befand. Doch dann war ihr aufgefallen, dass der Tisch deswegen dort stand, weil er einen Flecken verdecken sollte, den die damals dreizehnjährige Rosie beim Kleckern mit schwarzem Johannisbeersaft hinterlassen hatte. Evie stellte den Tisch zurück und platzierte die weiße Geranie darauf. Sie verstaute all die Schweinchen, Seehunde, Hasen und Elefanten sicher zwischen Seidenpapier in einem Karton.
Und nun riss sie mit aller Entschiedenheit Löwenzahn an der rechten Gartengrenze heraus, während der gelangweilte Jack Russell des Nachbarn bellte. Er rannte den Zaun auf und ab, über den er sogar gelegentlich sprang, wenn er guter Dinge war.
»Boris, sei ruhig!«, brüllte Rosie und warf ihren Apfelbutzen über den Zaun. »Wir versuchen uns zu unterhalten.«
Boris aber kläffte weiter.
Schließlich stand Rosie auf, hob das kleine, sich windende Bündel hoch und setzte es auf ihre Seite des Zauns. Boris sprang fröhlich herum und pinkelte auf das Unkraut, das Evie gleich entfernen wollte. Als er damit fertig war, hopste er zu Rosie zurück und leckte ihr andächtig das Gesicht ab, dankbar dafür, dass sie ihn befreit hatte.
»Hast du Hunger, mein Süßer?«, gurrte sie und kraulte seine
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