Geh Ich Auf Meine Hochzeit
den Luxusboutiquen von Mailand bis Paris sie nicht mehr wirklich befriedigte? Das konnte nur die Liebe eines charakterfesten, stolzen Mannes!
»Nein, es sitzt niemand hier«, murmelte sie.
Das hörte er gern. »Ich habe Sie schon vom Hotel aus beobachtet und gehofft, Sie alleine anzutreffen...«
»Evie, ein frohes Neues Jahr!«, kreischte Lorraine, die zur Tür hereinstürzte. Sie trug eindeutig das Weihnachtsgeschenk ihres Freundes: ein Mantel aus Kunstpelz mit aufgedrucktem Ozelotmuster.
»Gleichfalls, Lorraine«, erwiderte Evie erfreut. Sie mochte Lorraine wirklich. »Der Mantel gefällt mir. Hast du ihn von Craig geschenkt bekommen?«
»Jaha.« Lorraine, eine vierundzwanzig Jahre alte, magere Brünette, war einer der wenigen Menschen in Evies Bekanntenkreis, der ein üppiger Mantel aus Pelzimitat gut stand. Sie drehte sich vor Evie einmal um die eigene Achse.
»Er ist wunderschön«, sagte diese anerkennend und fuhr mit den Fingern durch das Synthetikfell.
»Probier du ihn einmal an«, drängte Lorraine sie und schlüpfte aus den Ärmeln.
»Nein, ich habe fünf Pfund zugenommen und würde darin wie ein Teddybär aussehen«, seufzte Evie niedergeschlagen. »Oder wie ein anderes, dem Zoo entwichenes Tier...«
Lorraine hängte den Mantel sorgfältig an die Garderobe und machte sich sofort am Teekessel zu schaffen, um Wasser aufzusetzen.
»Tee?«, erkundigte sie sich.
»Nein danke, ich habe mir Kaffee gekocht. Der Milchmann ist noch nicht vorbeigekommen.«
»Wie ärgerlich«, knurrte Lorraine, die ihren Tee gern mit viel Milch trank. »Wie waren die Feiertage? Und was hat Simon dir zu Weihnachten geschenkt?«
Erst bei der zweiten Frage blühte Evie auf. Die Weihnachtstage ohne die Erwähnung des Wortes »Katastrophe« zu beschreiben würde schwer fallen, und sie wollte das Thema nicht weiter vertiefen, um nicht in Tränen auszubrechen. Doch von Simons Geschenk zu erzählen war etwas anderes.
Lächelnd strich sie ihr Haar so zurück, dass man die kleinen Perlenohrringe, die Simon ihr gekauft hatte, sehen konnte. Als er sie ihr nach ihrer Rückkehr von Ballymoreen überreichte, war sie entzückt gewesen.
»Wunderschön«, schwärmte Lorraine. »Sehr dezent! Sicher war es nicht einfach, die Feiertage getrennt zu verbringen?«
Evie konnte es kaum abwarten, das nächste Weihnachtsfest gemeinsam zu feiern. In ihren Morgenmänteln herumzutrödeln, sich ein paar rührselige Filme im Fernsehen anzuschauen und zusammen vor dem knisternden Kamin zu kuscheln... es stimmte zwar, dass weder Simon noch sie einen Kamin im Hause hatten, aber das konnte man ändern.
»Die Zeit bis zur Hochzeit wird wie im Fluge vergehen«, prophezeite Lorraine.
Evie verzog das Gesicht. »Fang bloß davon nicht an! Ich habe eine kilometerlange Liste von Dingen, die ich erledigen muss. Und ich kann mich einfach nicht aufraffen, die Leute anzurufen. Du machst dir ja keine Vorstellung davon, wie lange im Voraus man alles reservieren muss. Eigentlich bin ich davon ausgegangen, das dies lediglich für das Hotel nötig sein würde. Doch abgesehen von hundert Kleinigkeiten müssen sogar die Blumen frühzeitig bestellt werden. Man könnte annehmen, sie würden sie ganz nach Wunsch erst aus Samen ziehen.«
»Trotzdem muss es schön sein, die eigene Hochzeit zu planen«, meinte Lorraine verträumt. »Das Kleid, der Empfang, dein Brautstrauß...« Sie war ganz in ihren Träumen gefangen und stellte sich Craig und ihre Hochzeit vor, bei der sie in einer Wolke aus Tüll die Kirche betreten würde.
»Ja«, bestätigte Evie eifrig. Es war eigenartig - aber seit sie von der Hochzeit von Vida mit ihrem Vater wusste, hatte sie nicht mehr sehr häufig an ihre eigene Hochzeit gedacht. Vielleicht lag es daran, dass sie Simon während der Feiertage nicht gesehen hatte, der zwölfte September jedenfalls war ihr zwischenzeitlich völlig entfallen.
Argwöhnisch musterte Lorraine Evies Tasse. »Weshalb trinkst du Kaffee? Wolltest du nicht die Obstsaftkur machen?«
Evie lächelte reumütig. »Offen gestanden war ich auf der ›Häppchen-Kuchen-und-so-viel-Essen-wie-möglich-Diät‹, und da hielt ich eine Tasse Kaffee zum Aufwachen für vergleichsweise harmlos.«
Plötzlich klingelte ihr Telefon und schreckte alle beide auf. Lustlos nahm sie den Hörer ab.
»Evie!«, jammerte die Telefonistin gequält. »Eine Kundin möchte gerne den Verkauf sprechen, aber sie behauptet, nicht so lange warten zu können, bis dort jemand eingetroffen ist. Würden Sie sie
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