Geh Ich Auf Meine Hochzeit
übernehmen? Ich kann sie kaum beruhigen.«
»Aber natürlich«, erwiderte Evie automatisch. Das neue Jahr hatte seinen Anfang genommen.
»Was ich nicht begreife«, wandte sich Evie an Olivia, als sie Schlange standen für die Sandwiches in dem verabredeten Pub. Der Pub befand sich auf der anderen Straßenseite der kargen Industriezone, wo die Wentworth-Alarmsysteme angesiedelt waren. »Warum will mich Vida überhaupt zu der Hochzeit einladen? Sie kann mich ganz eindeutig nicht ausstehen. Würdest du eine dir feindlich gesinnte Tochter deines neuen Mannes an deinem Hochzeitstag in der Kirche stehen haben wollen?«
»Ich glaube nicht, dass sie dich nicht ausstehen kann, Evie«, widersprach Olivia etwas zermürbt. Seit Weihnachten hatten sie dieses Thema wieder und wieder aufgegriffen, und mittlerweile vermochte sie einfach nichts mehr dazu zu sagen.
Andauernd sprach Evie über Vida und machte sich ständig Sorgen - sie fragte sich, falls ihr Vater Vida liebte, ob das wiederum bedeutete, dass er seine Tochter weniger liebte als früher. Sollte sie überhaupt zur Hochzeit gehen? Sicherlich wollten sie sie ohnehin nicht dabeihaben, davon war sie überzeugt. Und wenn sie teilnahm, was sollte sie anziehen? Wie konnte sie mit dieser reichen Hexe mithalten, die dank ihres letzten Mannes - den sie vermutlich umgebracht hatte, um die Lebensversicherung zu kassieren - offenbar über eine Garderobe voller Designerkleidung verfügte?
Da Olivia Evie so genau kannte, wusste sie nur zu gut, dass ihre Freundin die zukünftige Stiefmutter nicht wirklich ablehnte, sondern nur deswegen immer wieder auf dieses Thema kam, weil sie sich unendlich in die Enge getrieben fühlte. Jahrelang hatte sie sich selbst als die wichtigste Frau in Andrew Frasers Leben betrachtet - und nun konnte sie es schwer ertragen, auf den zweiten Platz zu rücken. Es hatte sie ganz einfach umgehauen.
Sie hatten die Angelegenheit so häufig durchgekaut, dass Olivia nichts mehr dazu zu sagen hatte. Sie ihrerseits hätte Evie gerne mitgeteilt, wie deprimiert sie sich seit Weihnachten fühlte. Stephen war die ganze Woche über einsilbig geblieben. Er schien die höchste Position in seiner Firma anzustreben und hatte sie angeraunzt, als sie einen Tagesausflug vorgeschlagen hatte. Dazu kam, dass sich das Ende der Schulferien näherte und Olivia angesichts der Aussicht, ein weiteres Schuljahr in Angriff nehmen zu müssen, ganz übel wurde.
Eine kleine Aufheiterung hatte sie bitter nötig. Sie hatte Sasha bei ihrer besten Freundin aus der Kindergruppe gelassen und war spontan zum Mittagessen zu ihrer Freundin gefahren - aus dem dringenden Bedürfnis heraus, sich jemandem anzuvertrauen. Doch Evie war immer noch nicht in der Lage, eine Unterhaltung ohne das Wort »Vida« zu führen. Olivia brachte also ihr Problem, wie unglaublich schlecht sie sich auch fühlte, nicht zur Sprache.
Die Frau hinter dem Tresen schöpfte zwei Kellen Pilzsuppe aus und reichte ihnen die Brötchen dazu. Sie gingen weiter zu den Sandwiches, die unappetitlich in Plastikfolie verpackt auslagen.
»Ich habe mich entschieden, nicht hinzufahren«, fuhr Evie fort. Mit verbissener Miene grübelte sie darüber nach; ob sie den Gummikäse oder das leicht eingetrocknete Hühnchen nehmen sollte.
Olivia wartete, bis sie sich gesetzt hatten, ehe sie ihre Meinung dazu äußerte.
»Evie«, begann sie liebevoll, »du wirst mich hierfür hassen - aber ich bin deine Freundin, und ich muss es sagen.«
Sie hielt inne und nahm ihr Mittagessen vom Tablett. »Ich weiß, dass du tief verletzt bist und dich bedroht fühlst, weil sie sich so schnell verlobt haben, aber glaube mir, wenn du nicht zu ihrer Hochzeit gehst, wirst du es Zeit deines Lebens bereuen. Verstehst du das denn nicht?« Noch bevor Evie aufbrausen konnte, fuhr sie fort: »Bedenke doch, was du tust, wenn du nicht hingehst. Du sagst deinem Vater in aller Öffentlichkeit, dass er dir nicht am Herzen liegt und du sein Tun nicht gutheißt. Und du zwingst Rosie, sich zwischen dir und ihm zu entscheiden. Unmöglich kann sie bei der Hochzeit dabei sein ohne dich. Sie ist dir gegenüber viel zu loyal, um sich darüber hinwegzusetzen; andererseits liebt sie ihren Großvater. Siehst du das nicht ein?«
Die großen, braungrünen Augen füllten sich mit Tränen, als Evie ihre älteste Freundin anstarrte. Sie machte den Eindruck, als ob man sie mit dem Suppenlöffel attackiert hätte. Ihre Unterlippe zitterte Mitleid erregend, und Olivia hatte das Gefühl,
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