Geh Ich Auf Meine Hochzeit
sagen - wenn du nicht zu Papas Hochzeit erscheinst, werde ich auch keine gute Miene dazu machen, wenn du diese Pokervisage Simon heiratest.«
Cara warf ihre Gabel auf den Tisch, die so laut gegen ihren Teller schepperte, dass die Hunde aufwachten. Sie stürmte aus der Küche und stampfte geräuschvoll die Treppe nach oben, ganz wie in ihrer Kindheit, wenn Evie sie wegen irgendeiner Sache gerügt hatte.
Evie fuhr sich mit der Hand über die Stirn, sie verspürte aufkeimende Kopfschmerzen. Was hatte sie gesagt? Schreckliche, schreckliche Dinge. Cara würde ihr niemals verzeihen. Was war nur mit ihnen geschehen? Früher waren sie so vertraut gewesen. Weswegen waren sie zu Fremden geworden, denen es leichter fiel, einander zu verletzen als sich gegenseitig zu trösten? Erschöpft ließ sie ihren erhitzten Kopf auf die kühle Holzplatte des alten Tisches fallen und wünschte sich, Weihnachten möge sich in Nichts auflösen. Sie hatte die Dinge mit Cara regeln und ihr sagen wollen, dass sie sie liebte und ihr nur das Beste wünschte. Jetzt hatte sie alles zunichte gemacht, weil man ihr den Schreck des Lebens versetzt hatte. Wenn Andrew es ihr doch nur früher mitgeteilt hätte, wenn sie nur darauf vorbereitet gewesen wäre! Sie wäre zwar immer noch verletzt gewesen, aber hätte es besser kaschieren können.
Aber es war nicht seine Schuld. Evie wusste, wer das Weihnachtsfest wirklich vermasselt hatte. Vida. Diese Schlange!
5
Seufzend schaltete Evie das Licht im Eingangsbereich des Büros an. Wieder ein neues Jahr. Wieder Januar. Noch mehr Schnee. Sie schnippte sich die Flocken vom Mantel und lief an dem zusammengesackten Weihnachtsbaum vorbei, der den Teppich mit seinen Nadeln übersät hatte.
Davis Wentworth besaß ein Faible für echte Weihnachtsbäume und bestand darauf, dass im Empfang der Firma ein solcher stand. Schließlich musste nicht er die Putzfrau Marj beschwichtigen, die Stunden damit verbrachte, die Nadeln aus dem strapazierfähigen Nylon des Teppichs herauszupulen. Evie öffnete die Tür zum Treppenhaus. Die arme Marj würde einen Anfall bekommen, wenn sie den Boden zu Gesicht bekam. Und erst recht würde sie zetern, wenn sie die üppigen Spuren künstlichen Schnees an den Fenstern entdeckte. Die wiederum waren das Werk von Kev aus dem Verkauf, der sich beim letzten Mittagessen betrunken und danach überall unanständige Weihnachtsmänner hingemalt hatte. Nur die Chippendales durften derart freizügig sein. Evie musste lachen, als sie einen besonders aufreizenden Weihnachtsmann entdeckte, der gerade dabei war, etwas mehr als nur einen Weihnachtsstrumpf abzuliefern.
Seinerzeit hatte sie sich natürlich nicht anmerken lassen, dass die Malereien sie belustigten. Das durfte sie nicht, jedenfalls nicht, solange die leicht beeinflussbaren jungen Zeitarbeitskräfte zusahen. Stattdessen hatte sie Kev einen strafenden Blick zugeworfen und ihm klargemacht, dass es sich hier um ein Büro und nicht um einen Affenstall handelte. Sie hatte ihn gewarnt, wenn die Weihnachtsmänner nicht vor Ankunft des Chefs verschwunden sein sollten, würde die Weihnachtszulage lediglich aus einem Antragsformular für das Arbeitsamt bestehen.
Das allerdings entsprach nicht der Wahrheit, denn Davis war so kurzsichtig, dass er nicht einmal einen leibhaftig nackten Weihnachtsmann im Treppenhaus bemerkt hätte und auch das hätte ihn kaum gestört. Doch innerhalb eines Büros musste ein gewisser Standard erhalten bleiben, dachte Evie, sonst würde es bald drunter und drüber gehen. Wenn alle auf ihren Humor setzten, würde es schnell aus sein mit dem Niveau der Firma.
Evie würde der armen Marj bei der Beseitigung des künstlichen Schnees helfen müssen. Sie knipste das Licht an. Es war halb neun, dritter Januar. Das Büro machte den Eindruck, als ob es nicht nur zehn Tage lang, sondern seit dem Sinken der Titanic kein Mensch mehr betreten hätte. Normalerweise arbeiteten um diese Uhrzeit bereits viele Angestellte, doch das schlechte Wetter - seit drei Tagen schneite es heftig - und das Ende der Ferienzeit hatten die Wentworth-Alarmsysteme zu einem kollektiven Nickerchen veranlasst.
Zum ersten Mal in ihrem Leben wünschte Evie sich, genau das auch zu tun. Sonst hatte es ihr nie etwas ausgemacht, nach den Ferien wieder zu arbeiten. Das wiederum lag an ihren Schuldgefühlen. Wenn sie länger als eine Woche morgens nicht zur Arbeit ging, fühlte sie sich rastlos und faul, als ob sie unbedingt etwas tun müsse - irgendetwas. Das war auch
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