Geh Ich Auf Meine Hochzeit
der Grund, weshalb ihr Zuhause immer makellos sauber und ihre Vorratskammer besser als ein Benetton-Laden organisiert war; deshalb machten sich auch niemals Staubwolken oder Haarbüschel unter ihren Möbeln breit.
»Ich kann mir nicht vorstellen, wie du es in den Flitterwochen aushalten willst, Mama«, hatte Rosie am Tag zuvor bemerkt. Evie hatte sie aus ihrer bequemen Sitzposition auf dem Sofa aufgescheucht, wo sie sich im Fernsehen die Teletubbies ansah, um darunter Staub zu saugen. Rosie hatte in Socken und Bademantel mit einer halb geleerten Schüssel Frosties in der Hand ihre Mutter dabei beobachtet, wie sie unbarmherzig jedes bisschen Staub vernichtete, das sich unverschämterweise unter ihrem Sofa eingenistet hatte.
»Du wirst dich zu Tode langweilen, wenn du zwei Wochen lang am Strand liegst«, orakelte Rosie.
»Ich nehme mir Bücher mit«, hatte Evie gekeucht und die Staubsaugerdüse in den Sofaecken vergraben, um jedes Staubkorn und jeden Frostie-Krümel einzufangen. »Außerdem liegen wir nicht den ganzen Tag am Strand. Griechenland ist hochinteressant, es gibt viel zu besichtigen. Ich wollte schon immer verreisen, hatte bisher aber nicht die Gelegenheit dazu.«
Eigentlich hatte sie bisher niemals das Geld dazu gehabt. Rosie allein großzuziehen war schwierig und Bares meistens knapp. Abgesehen von den Ferien in Ballymoreen waren Rosie und sie drei Mal im Ausland gewesen: zwei Mal in einem Ferienhaus mit Andrew und Cara in Cornwall, und ein Mal mit Olivia und der elfjährigen Rosie auf Mallorca. Das waren die schönsten Ferien überhaupt gewesen. Sonne, Sandstrände, einladende Restaurants und ein hübsches Apartment in einem ruhigen, unverbauten Teil der Insel. Wenn sie sich gelegentlich an diesen Urlaub erinnerte, wünschte sie sich, dass Rosie, Olivia und Sasha sie und Simon während ihrer Flitterwochen begleiteten. Das war eine etwas seltsame Vorstellung, wie sie wohl wusste - aber der Gedanke, die drei mitzunehmen, gefiel ihr irgendwie.
Evie stieg die Treppe in den dritten Stock hinauf. Sie mied den Lift, denn sie musste sich die fünf Pfund Frustessen von Weihnachten abarbeiten. Sie hatte die sündhaft cremigen Pralinen, die von Vida im Kühlschrank ihres Vaters zurückgeblieben waren, nicht anrühren wollen. Aber es war einfach unmöglich gewesen, ihnen zu widerstehen. Das eine Häppchen Schokoladenkuchen hatte sich jedes Mal in zwei Doppelstücke verwandelt. Und bevor sie es sich versah, lief Evie mit einem weiten Pullover über ihren Jeans herum, damit der oberste geöffnete Knopf nicht sichtbar wurde.
In dem großen Büroraum, den sie mit zwei weiteren Sekretärinnen teilte, stellte sie die Handtasche auf ihrem Tisch ab und drehte die Heizung auf. Es war eiskalt. Sie kochte sich eine Tasse Kaffee - schwarz, weil die Milch noch nicht geliefert worden war -, setzte sich mit der Tasse in Händen an ihren Tisch und wünschte, sie wäre irgendwo anders. An einem griechischen Strand vielleicht. In der sengenden Hitze, wo sie sich nicht um verloren gegangene Akten und wütende Kunden kümmern musste, wo sie keine langatmigen, langweiligen Berichte zu schreiben und darüber nachzugrübeln hatte, ob sie nun zur Hochzeit ihres Vaters gehen sollte oder nicht. Sie würde sich auf einem Liegestuhl zurücklehnen und sich sorgfältig so bedeckt halten, dass man ihre Zellulitis und ihren Bauch nicht bemerkte...
»Ist dieser Stuhl besetztgnädige Frau?«
Sie drehte sich um und justierte ihre Yves-St.-Laurent-Sonnenbrille so, dass sie erkennen konnte, wer ihr in der Sonne stand. Anfangs sah sie lediglich eine dunkle Silhouette aufragen. Dann trat der Mann unter den Schirm, der ihren gestreiften Liegestuhl beschattete, und sein Gesicht bekam Konturen.
Er war dunkel, wie der attraktive griechische Kellner, der ihr jeden Abend beim Essen zulächelte. Doch seine stolzen, einem Falken ähnelnden Züge lächelten nicht. Seine schwarzen Augen waren undurchdringlich, als er sie von oben herab musterte.
Sie spürte, wie seine Augen ihren wunderschönen Körper in dem teuren weißen Badeanzug abtasteten. Der Anzug hatte ein gerüschtes Oberteil, das ihre vollen Brüste und die schlanke Taille betonte. Evie war froh, dass sie aus einer Laune heraus ihr Diamantarmband angelegt hatte. So konnte er feststellen, dass sie eine vermögende Frau war und nicht eine gelangweilte Pute am Pool des hochkarätigen Hotels Elounda Mare, die auf das Herabrieseln eines Millionärs wartete.
Ob er wohl spürte, dass ihr Schmuck aus
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