Geh nicht einsam in die Nacht
ein Kinderstar werden.«
»Ich glaube nicht, dass ich jemals Kinder haben werde«, entgegnete ich und hatte rasende Kopfschmerzen. Drei Tage lang hatte ich durchgezecht und brauchte dringend etwas, um den Pegel zu halten.
»Wir sollten uns treffen, Frank«, sagte Manner. »Wir haben uns viel zu lange nicht gesehen. Und dass ich meiner Tochter anscheinend nicht helfen kann, heißt noch lange nicht, dass ich nicht versuchen möchte, anderen zu helfen.«
»Ich brauche keine Hilfe.«
»Du brauchst jede Hilfe, die du kriegen kannst.«
* * *
Als Manner und ich uns nach langer Unterbrechung erstmals wieder sahen, kreiste das Gespräch vor allem um meine prekäre Lage und die Frage, was man gegen sie tun könne. Mehrere Wochen waren vergangen, seit er mich wegen Suvi angerufen hatte, er setzte sich aus einer sich endlos hinziehenden Parlamentsdebatte ab, und wir aßen im Restaurant Lyon relativ früh zu Abend, einige Häuserblocks von seinem Arbeitsplatz entfernt und zwei Katzensprünge von meiner früheren Wohnung: Ich wohnte nicht mehr in der Döbelnsgatan, ich hatte nach Brunakärr hinausziehen müssen, wo die Mieten niedriger waren.
Manner erwähnte Suvi mit keinem Wort, und ich ahnte, dass ihre Probleme in der Familie bleiben, vor allem jedoch nicht den Medien zu Ohren kommen sollten, die sich an der Kombination aus prominenter Vater, prominente Tochter plus Anorexie mit Sicherheit ergötzt hätten.
Stattdessen hielt Manner mir den Spiegel vor und tat es im letzten Moment. Ich war schon beinahe arbeitsunfähig, schaffte nur noch kürzere Kommentare und Interviews der einfachsten Art. Alles, was Planung und Recherche verlangte, überforderte mich, und ich wusste, dass man sich in der Stadt das Maul über mich zerriss. Außerdem hatten die verlorenen Jahre tiefe Löcher in meine Psyche gebohrt. Ständig hatte ich Träume, in denen Leeni, Henry, Eva, Adriana Mansnerus, Jouni Manner, Ariel Wahl und ich selbst in seltsamen Zusammenhängen auftauchten, in denen wir alle wir selbst und doch anders waren. Diese Träume waren unheimlich und blieben haften, sie schienen sich eine Ewigkeit hinzuziehen, und wenn ich aus ihnen erwachte, war ich schweißgebadet, und mir war schlecht.
Drei Menschen habe ich zu verdanken, dass ich wieder auf die Beine kam.
Jouni Manner, der mir nach unserem ersten Treffen im Lyon Aufträge besorgte und darauf achtete, dass diese Aufträge Schritt für Schritt anspruchsvoller wurden. Außerdem buchte und bezahlte Manner meinen dreiwöchigen Aufenthalt in einer teuren Entzugsklinik an der Westküste: Er kannte die Klinik durch seinen Job, mehrere Parlamentarier waren dort behandelt worden.
Pete Everi, der mich zwei Mal zur Entgiftungszentrale fuhr und mir mitteilte, dass er nicht mehr mit mir Bier trinken gehen wolle. Auf seine mürrische Art schlug er mir vor, dass wir stattdessen wieder Badminton spielen sollten. Als Grund nannte er sein Übergewicht und den Wunsch abzunehmen, aber ich wusste, dass er an mich dachte. Ich sagte Ja. Als Pete und ich zum ersten Mal wieder zur Halle hinausfuhren, begann ich beim Umziehen, am ganzen Körper unkontrolliert zu zittern, und nachdem wir eine halbe Stunde gespielt hatten, musste ich mich in der Toilette übergeben.
Und schließlich war da noch Eva Mansnerus, die mich weiter zum Essen einlud und bat, mit ihr und Nadia spazieren zu gehen, obwohl ich, oder irgendetwas in mir, alles tat, damit sie mich verachtete und sich von mir abwandte.
Eines Abends – ich war noch ziemlich heruntergekommen, kämpfte aber schon dagegen an – war ich zum Essen bei Eva und trank so viel Wein und Cognac, dass sie sich Sorgen um mich machte und mich fragte, ob ich über Nacht bei ihr bleiben wolle. Es geschah ein paar Monate nach dem Zwischenfall mit Suvi Manner, und Eva wohnte damals in Kasberget, da sie genau wie ich aus finanziellen Gründen die Innenstadt hatte verlassen müssen. Eva und Nadia wohnten im sechsten Stock, es war ein kühler, aber klarer Maiabend, und unter uns lagen die Vororthöfe so leicht phosphoreszierend hellgrün und schön, wie ich es aus den Frühlingen in Tallinge kannte.
Nadia war in den Schären, bei einem Mädchen aus ihrer Kita. Im Winter war sie sieben geworden und würde bald in die Schule kommen. Sie sei schon ein großes Mädchen, sagte sie mir oft mit ernster Miene, aber wenn sie zu Hause gewesen wäre, hätte Eva es sicher nicht riskiert, ihr erklären zu müssen, was Onkel Frank am Morgen in Mamas Bett machte. So aber stand
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