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Geh nicht einsam in die Nacht

Geh nicht einsam in die Nacht

Titel: Geh nicht einsam in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Westoe
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fest. »Ich möchte, dass es dir endlich wieder besser geht, und ich habe dich so gern, dass ich es sogar tun kann. Wenn du glaubst, dass du dich dann besser fühlst, darfst du es tun. Aber ich bitte dich, darüber nachzudenken, ob es dir das wirklich wert ist.«
    Ich wünschte, ich könnte erzählen, dass ich verzichtete, aber das tat ich nicht. Ich schwieg weiter, das einzige Geräusch im Raum waren meine schweren Atemzüge, und dann streichelte ich wieder Evas Brüste. Ihre Burstwarzen wurden fester, aber ansonsten passierte nichts, sie atmete genauso ruhig wie zuvor. Als ich am Saum ihres Slips nestelte, zog sie die Beine an und streifte ihn selbst ab. Ihr Nachttisch hatte im unteren Teil einen kleinen Schrank, und sie zog die Tür auf, holte ein Kondom heraus und reichte es mir, ließ es mich aber selbst überstreifen. Als ich mich auf sie legte, blieb sie vollkommen passiv, sie legte nur die Hände leicht um meinen Rücken und ließ sie dort liegen. Hinterher drehte sie sich schnell auf die Seite und schlief wortlos ein. Ich lag neben ihr auf dem Rücken und wurde von Angst übermannt. Ich dachte daran, was ich soeben getan hatte. Ich dachte daran, dass ich Nadias Patenonkel war, und schluchzte. Eva reagierte nicht. Kurz darauf stand ich auf, zog mich an und ging auf wackeligen Beinen in den Flur. Ich überlegte, ob ich ein Taxi rufen sollte, entschied mich jedoch dagegen. Ich kehrte in die Wohnung zurück, stellte mich in den Türrahmen zum Schlafzimmer und hauchte leise: »Eva! Eva!« Keine Antwort. Ich verließ die Wohnung und ging durch die Vorsommernacht. Erst in Hertonäs nahm ich ein Taxi.
    Am nächsten Morgen versuchte ich sofort, Eva anzurufen, ich versuchte es den ganzen Tag und Abend. Als sie sich nicht meldete, bekam ich einen Rückfall und trank zwei Wochen am Stück. Ich ließ den Abgabetermin für einen größeren Auftrag verstreichen, den Jouni Manner mir besorgt hatte, und er hielt mir eine Standpauke und schickte mich anschließend in die teure Reha-Klinik.
    Aber Eva verzieh mir auch diesmal. Als ich von der Westküste zurückkehrte, dauerte es nicht lange, bis sie anrief und mich bat, die Metro zu nehmen und mit ihr und Nadia auf der Halbinsel Stenudden spazieren zu gehen. Als wir uns trafen, umarmten wir uns nicht innig und lange wie sonst, stattdessen berührte Eva nur leicht meinen Arm. Anschließend gingen wir Seite an Seite, während Nadia herumrannte und Menschen grüßte, die mit ihren Schrebergartenlauben und Beeten beschäftigt waren. Ich war am Boden zerstört. Evas Anblick und ihre leichte Berührung meines nackten Unterarms hatten erneut jene Nacht und mein furchtbares Verhalten heraufbeschworen, und ich entschuldigte mich mindestens drei Mal. Aber ich versuchte nicht, es zu erklären, denn ich wusste, dass Eva nicht an Erklärungen glaubte, sie fand, die Handlungen eines Menschen sprächen immer für sich.
    »Wir vergessen das«, sagte Eva, als wir an dem großen Steinblock mit der Gedenktafel für das Tanzorchester Dallapé vorbeigingen, »wir haben es auch früher schon geschafft, gewisse Dinge zu vergessen. Bei der Sache mit Lindy habe ich dich damals nicht anständig behandelt.«
    »Was du über einen anderen Mann gesagt hast, stimmt das?«, fragte ich beschämt.
    »Ich weiß ja, dass ich dir Dinge verschwiegen habe«, antwortete Eva. »Aber wann habe ich dich jemals belogen?«
    »Weiß er … er braucht doch nicht …?« Ich brachte die Frage nicht heraus.
    »Ich habe doch gesagt, dass wir es vergessen«, entgegnete Eva gereizt.
    Wir blieben enge Freunde. Nur unsere Begrüßungsumarmung kehrte nie mehr zurück. Von da an begrüßten wir uns immer mit Wangenküssen der flüchtigen kontinentalen Art, wie sie auch in Finnland immer üblicher wurden. Ich dachte oft, dass Evas Intellekt mir verziehen hatte, ihr Körper sich jedoch weigerte zu vergessen.
    * * *
    Im folgenden Frühjahr hatte ich dem Alkohol fast völlig abgeschworen und rauchte auch nicht mehr. Ich hatte viel zu tun und konnte Pete Everi schon wieder ein ebenbürtiger Gegner sein, wenn wir Badminton spielten.
    Gleichzeitig war ich jedoch unsicher wie ein Fohlen, das zum ersten Mal in die Freiheit entlassen wird. Die neuen Beine, die mich tragen sollten, schafften es mit knapper Not, die Bürde der verlorenen Jahre zu tragen, und manchmal wankte ich.
    Ich erinnere mich an einen Sonntag mit Eva und Nadia. Es war Mai, die Eishockeynationalmannschaft war Weltmeister geworden, und in Helsingfors herrschte

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