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Geh nicht einsam in die Nacht

Geh nicht einsam in die Nacht

Titel: Geh nicht einsam in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Westoe
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doch der hatte den Balkon verlassen, was Jouni in dem Verdacht bestärkte, dass sich sein Freund in dem Zimmer mit dem süßlichen Geruch aufhielt. Er machte sich innerlich eine Notiz, später nach Ariel zu suchen. Vielleicht auch nach Adriana. Sie hatte ihn genauso plötzlich verlassen, wie sie aufgetaucht war, sie werde weiter nach dem verschwundenen Stenka suchen, hatte sie gesagt und Jouni mit hochrotem Kopf stehen gelassen. Jouni beschloss, Adriana zu vergessen. Er war jünger als sie, aber alt genug, um zu verstehen, dass sie Ärger bedeutete. Außerdem hatte er manchmal das Gefühl, dass sie mit ihm spielte. Darüber hinaus wusste er, dass er Charme hatte, es fiel ihm nicht weiter schwer, Frauen zu bekommen, er brauchte sich nicht mit den Launen eines seltsamen Mädchens aus der Oberschicht herumzuschlagen. Er entschied sich für eine der jungen Frauen auf dem Balkon, eine dunkelhaarige Musikstudentin, mit der er bereits ein paar Worte gewechselt hatte: Sie hieß Terhi, war neunzehn und spielte Querflöte und Klavier.
    Eine Viertelstunde verging, eine halbe Stunde, Jouni blieb, wo er war. Die Sonne stand mittlerweile knapp über den Inseln Lövö und Granö, bald würde die Dämmerung einsetzen. Aber es war immer noch heiß, und eine der jungen Frauen auf dem Balkon, eine sommersprossige Blondine, zog ihre Bluse aus und rief, sie wolle schwimmen gehen. Jouni und Terhi gehörten zu der kleinen Gruppe, die ihr zum Wasser folgte. Dort zogen sie sich zurück, setzten sich auf einen umgestürzten Baumstamm und betrachteten die Stadt. Jouni hatte Helsingfors noch nie aus dieser Richtung gesehen, er hatte die Stadt aus der Ferne von Stenudden und Sveaborg aus gesehen, doch nun fiel sein Blick auf einen neuen und fremden Ort. Ganz oben im Nordwesten stand das neue Krankenhaus im Stadtteil Mejlans, Scherzbolde hatte das riesige Gebäude »Hilton« getauft, und jetzt war es fertig und schimmerte blau und golden auf seinem Felsen. Hinter dem Hilton sah man die Kinderklinik, den Stadionturm, das Riesenrad des Vergnügungsparks Borgbacken, zwei Kirchtürme, die Jouni nicht identifizieren konnten, und das Hotel Torni, aber dort schien die Stadt zu enden: die neue Lappviks-Brücke und die Industriegebäude auf Sundholmen verdeckten den Dom und die Uspenski-Kathedrale und alles andere, was im Osten lag. »Hübsch, was?«, fragte Jouni und grübelte gleichzeitig darüber nach, ob er es schon wagen sollte, sie zu küssen. »Ja«, antwortete Terhi und sah ihn ernst an, »das ist schön«, und dann waren sich ihre Lippen bereits so nahe, dass sie sich fast berührten, und sie mussten es nur geschehen lassen. Zwischen den Küssen registrierte Jouni, dass die Sonne hinter dem Waldrand versunken war und in der Stadt die Lichter angingen. Er sah, dass die anderen Zweige und Äste gesammelt und am Ufer ein Lagerfeuer angezündet hatten, obwohl dies verboten war, er sah, dass die Blondine es geschafft hatte, auch die anderen zum Schwimmen zu bewegen, denn es plantschten und lärmten mindestens zehn Leute im seichten Wasser, von denen einige nackt waren, während andere in Unterhose und Hemd schwammen, und vom Haus schallte ein intensives Stimmengewirr herunter, aber noch lauter ertönte Lady Jane , die wehmütige Melodie hallte durch die laue und trockene Luft bis zum Ufer, wo sich die Dunkelheit allmählich vertiefte und die Haut nach und nach die Wärme abgab, die sie während dieses langen heißen Tages gespeichert hatte. Terhis Haut brannte fast, aber ihre Lippen waren seltsam kühl und ihr Mund feucht, und Jouni schob eine Hand unter ihre Bluse, und sie wehrte sich nicht, und er ahnte, dass es in dieser Nacht klappen könnte, es erschien ihm möglich, dass sie am Ende bei ihr oder bei ihm landeten, welch ein Glück, dass er endlich eine eigene Wohnung hatte, statt bei Frau Toropainen zu wohnen, bei der er sich wie ein Dieb ins Haus hatte schleichen müssen, wenn er in Gesellschaft gewesen war. Seine Wohnung lag natürlich weit draußen in den Vorstädten, und nachts fuhren keine Busse dort hinaus, aber man konnte natürlich ein Taxi nehmen, was ein kleines Vermögen kostete, aber Terhi zuliebe würde er sich das gönnen können, das war sie ihm wert. Und dort am Ufer dachte Jouni, was seit der Aufnahme von Geh nicht einsam in die Nacht in ihm gekeimt hatte und nun die Form all dessen annahm, was in dieser Nacht zusammenwirkte, Terhi, ihre Haut, ihr Mund, ihre Brustwarze, die steif wurde, wenn er sie berührte, aber auch der

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