Geh nicht einsam in die Nacht
Feuerschein und Rauchgeruch des Lagerfeuers am Ufer, die plantschenden und johlenden Menschen im flachen Wasser, die Lichter, die im Norden in der Stadt angingen, Mick Jagger, der von Lady Jane sang, das alles kristallisierte sich in Jouni zu sieben distinkten Worten: Besser als jetzt wird es nie mehr .
Jouni und Terhi waren die Letzten, die das Ufer verließen. Sie gingen eng umschlungen durch das kleine Wäldchen und hörten es in dem frisch gelöschten Feuer hinter ihnen zischen, und im selben Moment ertönte der Schrei. Er kam vom Haus, es war ein kurzer, aber lauter Schrei wie von einem verwundeten Tier, er übertönte die Musik und die Stimmen. Als der Schrei verstummte, lief die Musik weiter wie zuvor, auch das Stimmengewirr verstummte nicht, klang aber gedämpft, da viele Gäste bereits heimgefahren waren, während der letzten Stunde hatte sich auf der Straße ein gleichmäßiger Strom von Taxis in beide Richtungen bewegt.
Jouni wollte nur schnell nach seinem Jackett suchen, das er irgendwo abgelegt hatte. Als er im Haus umherging, nahm er jedoch ein Geräusch wahr, das wie ein schiefer Ton, eine Dissonanz unter dem Partylärm lag. Irgendwo weinte jemand, wahrscheinlich in einem der Schlafzimmer. Jouni nahm an, dass es dieselbe Person war, die auch geschrien hatte, und er wusste nicht, warum, aber er war sich sofort sicher, dass es Adriana war. Er fragte sich, wo Ariel steckte, war er vielleicht gar nicht mehr auf der Party? Jouni war hin- und hergerissen zwischen seiner Lust auf Terhi, die deutlich zeigte, dass sie mit ihm fahren wollte, und der Fürsorge, mit der sie sich so lange umeinander gekümmert hatten, Addi, Ari und er. Er bat Terhi, kurz zu warten, und ging in die Richtung, aus der das Schluchzen kam. Sein Weg führte an der Küche vorbei, in der Karnow im Kreise einiger Gäste saß.
»Was ist passiert?«, fragte Jouni und zeigte mit dem Daumen in die Richtung, aus der das Geräusch kam. »Wer ist das?«
»Musst du das wirklich noch fragen?«, entgegnete Karnow. Die Frau neben ihm, eine stark geschminkte Brünette, lachte auf. »Es ist deine Freundin Addi, wer sonst«, ergänzte Karnow hart.
»Ja, aber was ist passiert?«, erkundigte sich Jouni und spürte, wie das Tier in ihm zum Sprung ansetzte.
»Sie hat getrunken«, sagte Karnow und nippte an dem Whisky, der vor ihm stand, die Eiswürfel klirrten im Glas. »Wenn du mich fragst, viel zu viel. Sie ist zu mir gekommen und wollte wissen, wann und warum Stenka gegangen ist. Und ich bin es leid, ihm ständig den Rücken freizuhalten.« Er schwieg einige Sekunden, zuckte dann mit den Schultern und ergänzte: »Ich habe ihr nur gesagt, was los ist.«
»Und was ist los?«, fragte Jouni drohend.
»Stenka hat eine andere«, antwortete Karnow ruhig. »Als Addi in Schweden war, hat er eine Braut kennengelernt. Sie ist heute Abend hier gewesen, und die beiden sind zusammen abgehauen. Stenka wollte keinen Streit, deshalb haben sie sich diskret aus dem Staub gemacht. End of story.«
Jouni stand regungslos im Türrahmen und versuchte, seine rasende Wut zu bändigen. Sich beherrschen. Auf andere Art für Gerechtigkeit sorgen. Aber wie, wenn man mit Leuten wie Sam Karnow und Stenka Waenerberg zu tun hatte, arroganten Schweinen, die einfach taten, was sie wollten. Und seine eigene Rolle: In Türrahmen stehen und Dinge sehen und hören, die er nicht sehen, nicht hören wollte. Das war eine Rolle, die Jouni nicht haben wollte, es war eine Rolle, die ihn wütend machte.
»Wer ist sie?«, fragte er, um ein wenig Zeit zu gewinnen und die Fassung wiederzugewinnen.
»Das sage ich dir doch nicht, Manner«, antwortete Karnow verächtlich. »Aber du kannst Addi ausrichten, dass sie eine dumme kleine Kuh ist, wenn sie glaubt, dass Stenka ihr gehört, nur weil er sie bumst. Die Zeiten haben sich geändert, man sollte diese Dinge nicht so ernst nehmen.«
Jouni blieb im Türrahmen stehen, als wäre er zu Eis erstarrt. »Wenn du Addi etwas zu sagen hast, kannst du das selbst tun«, sagte er. »Und merk dir eins, Karnow. Wenn du schlau bist, wechselst du die Straßenseite, wenn du mich das nächste Mal siehst.«
»Geh nach Hause, Manner«, entgegnete Karnow ungerührt. »Die Party ist vorbei, hier sind nur noch meine Freunde.«
Jouni verließ die Küche mit glühenden Wangen. Er sah Terhi im Flur warten, sie machte eine ungeduldige Geste mit dem Zeigefinger, als hätte sie in schneller Folge eine Nummer mit der Wählscheibe gewählt. Jouni hatte Angst, sie zu
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