Geheimakte Proteus
den Verstand verloren hätte. Oder unter dem Einfluss von Hhhelll stünde.
»Haben Sie eigentlich auch nur die leiseste Ahnung, wie wenig mir die Gefühle eines Kaze-Mimikagenten bedeuten? Ja, ob er überhaupt Gefühle hat?« Er trat einen Schritt auf sie zu, und man konnte die Wut in seinen Augen sehen. »Ich würde wirklich gern wissen, weshalb Sie eine so idiotische Frage überhaupt stellen?«
Lani wich zurück; sie hatte Angst, er könnte sie schlagen. Aber dann verflog sein Zorn, und er lächelte.
»Aber warum sollte mich eine solche Idiotie bei jemandem überraschen, der sich mit einem Mimik-Lover einlässt.«
Lani keuchte. »Trev! Sie haben mich beobachtet?«
»Nein, ihn haben wir beobachtet, in der Hoffnung, dass er uns zu Okasan führen würde. Bedauerlicherweise sind die Bluts uns zuvorgekommen. Aber wir dachten, er könnte uns nützlich sein, also haben wir unserem Kontakt in Kaze sein Genom zugesteckt – um den Mimikagenten gleich zu erkennen, wenn er hier auftauchte.«
Lani hätte ihm am liebsten die Augen ausgekratzt, aber Okasan erhob die Stimme und gab Streig die Gelegenheit, sich wieder seinem Lieblingsthema zuzuwenden: Streig.
»Ihr Plan ist also auf geradezu triumphale Weise gelungen, und Ihr Aufstieg in den Weltaufsichtsrat ist sichergestellt. Warum haben Sie mich dann weiterhin verfolgt?«
»Weil in den Aufsichtsrat zu kommen nur der erste Schritt ist.«
»Natürlich, Sie wollen Vorsitzender sein. Das wundert mich überhaupt nicht. Aber Sie werden in einer neuen Arena spielen, Streig, mit Gegenspielern, die viel erfahrener und besser für den Kampf gerüstet sind als ein paar harmlose Mimiks.«
»Ja. Aber denen wird nicht Spleiß 662RHC zur Verfügung stehen.«
Lani sah, wie Okasan auf ihrem Stuhl erstarrte. Ihr Gesicht wurde weiß. Als sie weiterredete, klang ihre Stimme heiser.
»Spleiß 662 … was ist das?«
Streig lachte. »Spleiß 662RHC. Das Loyalitätsgen … das Unterwürfigkeitsgen … wie auch immer Sie es nennen wollen. Jetzt tun Sie bloß nicht so, als hätten Sie noch nie davon gehört, alte Frau. Sie haben es geschaffen.«
»Ich … ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
»Und beleidigen Sie mich nicht, indem Sie lügen. Ich habe nach Ihrem ›Tod‹ das wenige, was wir von Ihren Aufzeichnungen finden konnten, gründlich durchkämmt. Ich fand drei Hinweise auf 662RHC … aber keine Sequenz dafür. Ich weiß, dass es existiert. Ich weiß, dass Sie damit experimentiert haben. Ich weiß, dass es funktioniert.« Streig schob sein Gesicht ganz dicht an das von Okasan. »Und ich will es.«
Offenbar hatte Okasan erkannt, dass es wenig Sinn hatte, ihr Wissen um diesen »Spleiß« länger zu leugnen. Sie wich Streigs Blick nicht aus und sagte leise:
»Lieber sterbe ich.«
»Wenn Sie es nicht hergeben, nehmen wir es uns. Sie wissen, dass wir das können.«
»Dann müssen Sie sich verdammt anstrengen.«
»Darauf können Sie sich verlassen.« Streig richtete sich auf und sagte, ohne sich umzuwenden: »Also gut. Zeit für den Transport.«
Im gleichen Augenblick traten zwei Polizeiwachen ein. Einer nahm Okasans Arm und zog sie in die Höhe.
»Wo bringen Sie sie hin?«, schrie Lani.
»In die Zitadelle. Und nicht nur sie. Sie kommen ebenfalls mit.«
Lanis Mund wurde trocken. Sie schluckte. »Ich? Aber ich -«
»Sie sind Datameister, nicht wahr. Wir werden Ihrer Freundin ein paar Informationen abzapfen – sogar eine ganze Menge. Und die müssen wir aufzeichnen und codieren. Und dazu brauchen wir Sie.«
Der zweite Polizist packte sie am Arm und zerrte sie zur Tür. Plötzlich hatte Lani Angst – aber nicht um sich selbst, sondern um Okasan.
»Was werden Sie mit ihr machen?«, schrie sie. »Sie ist doch bloß eine alte Frau. Sie weiß überhaupt nichts!«
Streig drehte sich um und starrte sie an. Er musterte ihr Gesicht einige Augenblicke, ehe er sprach.
»Ich dachte, Sie machen uns hier etwas vor, aber das ist gar nicht der Fall. Erstaunlich … wirklich erstaunlich. Sie haben also keine Ahnung, wer sie wirklich ist, oder?«
27
Tristan blickte auf und sah sich in der großen Kaverne des unterirdischen Verstecks von mindestens einem Dutzend finster blickender Proteaner umgeben. Callin war unter ihnen.
»Ein hübscher Trick, Trevs Masque zu tragen«, sagte Callin.
»Kein Trick«, erwiderte Tristan. »Darum hat man mich gebeten.«
»Sagst du. Aber was auch der Grund sein mag, uns macht es das schwer, auf dich richtig wütend zu werden. Trev war ein guter
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