Geheimakte Proteus
jemanden.«
Er blieb stehen. »Mich?«
»Das ist nicht klar, aber in Anbetracht der Tatsache, dass in dem Lagerhaus Aktivität …«
»Sicher. Verdammt, ich wette, das betrifft mich.«
Er ging weiter, spürte, wie sich in ihm ein unbehagliches Gefühl breit machte, und bog an der nächsten Ecke ab – weg von dem Lagerhaus.
Das war schlecht. Was war da schief gegangen? Es konnte natürlich alles Mögliche gewesen sein. Aber was auch immer es war, jedenfalls war er von seiner vorherigen Masque abgeschnitten. Für den Augenblick steckte er in dem Lani-Rouge-Genotyp fest.
Er wünschte, er hätte seine Garderobe mitgebracht, oder wenigstens noch eine beschreibbare Schablone. Dann würde er bloß ein paar Zellen vom nächstbesten Passanten brauchen … aber das war Wunschdenken – im Augenblick völlig sinnlos -
Er konzentrierte sich wieder auf die Klemme, in der er steckte.
»Regis – Flagge Isle im Auge behalten. Das Wichtigste sind Hinweise auf Lani Rouge oder Mimikagenten. Sag mir sofort Bescheid, wenn du etwas darüber erfährst.«
»Ja, Mylord.«
Tristan schüttelte den Kopf. Dieses »Lordschaft«-Motiv begann allmählich lästig zu werden. Er wünschte, er hätte sich am Morgen die Zeit genommen, Regis umzuprogrammieren, aber er hatte es so verdammt eilig gehabt wegzukommen.
Er ging weiter, bog ohne besonderes Ziel einmal links und einmal rechts ab, ohne auf sein Roaming Grid zu sehen. Das Lagerhausviertel mit seinen niedrigen Zweckbauten wich einem schimmernden Wohnviertel, das vorwiegend aus Hochhäusern bestand. Auch hier hatte die orgallische Mode bereits in ihrer ganzen Hässlichkeit Einzug gehalten. Eine nicht unbeträchtliche Zahl der fünfzigstöckigen Gebäude zeigte einen metallischen Schimmer.
Er bemerkte auch, dass Männer ihm nachsahen und musste sich mehrfach ins Gedächtnis rufen, dass er jetzt einen sehr attraktiven Frauenkörper trug. Er würde sich etwas Kreatives einfallen lassen müssen – vielleicht sogar etwas sehr Altmodisches –, um sein gutes Aussehen zu nutzen, ehe er hier rauskam.
Tristan war von dieser Vorstellung alles andere als erbaut. Eine physiologische Reaktion konnte er vermutlich von diesem Frauenkörper erwarten, aber seine persönliche Orientierung war stets männlich gewesen. Und Sex aus der weiblichen Perspektive kam ihm immer so … so invasiv vor.
Tristan hatte andere Mimiks davon reden hören, wie sie die Geschlechter getauscht hatten, wobei sie den Eindruck vermittelt hatten, als ob ihnen das Spaß gemacht hätte, als käme es gar nicht auf die eigene Orientierung an.
Aber bei ihm war das anders.
Ziellos durch die Straßen und Gassen gehend, immer wieder in Seitenstraßen einbiegend, fand er sich schließlich in einer Wohnstraße mit luxuriösen, orgallischen Abteilkomplexen wieder, die sich zu beiden Seiten sechzig oder siebzig Stockwerke in den Himmel reckten, Wohnungen für Flaggearbeiter der oberen Rangstufen.
Er wollte gerade Regis auffordern, ihm eine Karte einzuspielen, um sich eine Übersicht über seinen Standort zu verschaffen, blieb dann aber stehen, als ein schwarzer Streifenwagen um die Ecke bog und zehn Meter über der Straße auf ihn zuschwebte.
Die Polizei. Suchten sie ihn?
Er musste von der Straße herunter, aber er durfte unter keinen Umständen den Eindruck erwecken, er suchte nach einem Versteck. Da war es schon besser, die Nerven zu bewahren.
Schließlich war er eine ordentliche Bürgerin von Flagge, die ihren eigenen Geschäften nachging.
Der Schweber war noch etwa hundert Meter entfernt und überprüfte jeden und alles, was sich unter ihm auf der Straße bewegte. Tristan zwang sich zu einer gelockerten Haltung, verließ den Bürgersteig und schlenderte quer über die Straße. Als er die andere Seite erreicht hatte, ging er auf den nächsten Gebäudeeingang zu. Die Türen schoben sich auseinander, er schlüpfte hinein und eilte zum hinteren Teil des Vestibüls. Er drehte sich um, sah den Streifenschweber vor der Tür auftauchen … und weiterschweben.
Tristan ließ sich gegen die Wand sinken. Vielleicht war das bloß eine Routinestreife. Schließlich hatten sie niemanden aufgehalten. Trotzdem war er noch nicht so weit, dass er gleich wieder auf die Straße hinausgehen wollte.
Er sah sich um. Das Gebäude, das er sich ohne nachzudenken ausgewählt hatte, war ziemlich luxuriös. Die hellen Wände zeigten lebende Holzstruktur. Ein komfortables Versteck, aber wie lange konnte er sich hier aufhalten, ehe jemand anfing, Fragen zu
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