Geheimakte Proteus
Kemosabes Pferd galoppiert mit augenblicklicher Geschwindigkeit.«
Fünf Minuten bis zur Freiheit – ja, das könnte klappen. Schwer zu glauben, dass es so leicht gehen sollte. Einfach einen Schweber stehlen und fünf Minuten bis zur Freiheit.
»Was ist die beste Höhe?«
»Äh. Kemosabe besser manövrieren, wenn fliegen wie Adler über Mesas, aber weniger Aufmerksamkeit bei Kavallerie, wenn hier unten bleiben, zwischen ihnen.«
»Genau was ich dachte. Also gut. Behalt Flagge Isle im Auge, und sag mir Bescheid, wenn sie hinter mir herkommen.«
Tonto sagte: »Ja, Kemosabe«, und verschwand.
Tristan lächelte. Tonto hatte er fast völlig vergessen.
Aber dann erstarrte sein Lächeln, als rechts von ihm ein leuchtend grüner, fingerdünner Lichtstrahl aufblitzte. Er drehte sich um und sah einen Schweber der Polizei an seinem Heck.
»Reg-, ich meine Tonto! Du solltest mich doch warnen!«
»Hey, Partner«, sagte ein bärtiger, zahnloser, alter Cowboy. »Schätze, da sind ein paar Banditen hinter dir her.«
Nicht Gabby! Nicht jetzt!
»Hatte ich dir nicht gesagt, dass du die Polizei im Auge behalten sollst?«
»Diese Gauner verschlüsseln ihre Telegraphen, und ich hab den verflixten Schlüssel nicht.«
»Verflucht.« Eigentlich hätte ich ja wissen müssen, dass das am Ende nicht gut gehen kann.
Wieder ein grüner Blitz, diesmal näher. Zu nahe.
Nach einigem Experimentieren fand er den Schalter für seinen Heckschirm und legte ihn um. Er konnte erkennen, dass jetzt zwei Schweber hinter ihm her waren und ihn verfolgten.
Sein Komm-Schirm erwachte flackernd zum Leben, und Tristan schaltete sofort sein Video ab – schließlich machte es ja keinen Sinn, denen eine noch bessere Beschreibung seiner Masque zu geben, als sie sie bereits hatten –, ließ das Audio aber eingeschaltet.
»Hier spricht die Polizei. Sie sind verhaftet. Das waren Warnschüsse. Gehen Sie sofort auf Straßenniveau, oder Sie werden abgeschossen.«
Tristan schüttelte den Kopf. Abgeschossen zu werden war für einen Mimikagenten nicht gerade eine düstere Drohung. Im Vergleich mit der Gefangennahme wäre das sogar ein Segen. Sein Neuronet war mit zwei Optionen für den Fall der Gefangennahme ausgestattet. Bei den ersten Anzeichen von Folter würde sein Sprechzentrum zerstört werden, und er würde dann weder lesen noch schreiben können. Beim ersten Anzeichen einer Gedächtnissonde würde das Neuronet einen epileptischen Anfall auslösen, an dessen Ende er hirnlos sein würde. Nein, ein gefangener Mimik stellte für die Gloms kein Problem dar.
Für den armen Mimik freilich war das eine völlig andere Geschichte …
Auf den ersten Blick schien die erste Option die vorteilhaftere, aber nicht für Tristan. Sobald die Polizisten nämlich feststellten, dass der Flüchtling, der einen ihrer Kollegen niedergeschlagen und seinen Schweber gestohlen hatte, ein Mimik war, würden denen ein paar höchst unangenehme Spielchen einfallen, die sie mit ihm treiben konnten. Wahrscheinlich würden sie ein paar Kollegen holen, die sich auf Schmerz spezialisiert hatten. Tristans Tod würde sich über Tage, vielleicht sogar Wochen hinziehen.
Nein, da schon lieber das Hirn ausbrennen, dachte er.
Oder noch besser: Lass dich nicht von ihnen erwischen.
Wieder ein Blitz, wieder daneben. Was bildeten die sich eigentlich ein, mitten im Verkehr auf ihn zu schießen? Im Herzen eines Wohnviertels, man stelle sich vor. Vielleicht spielten die Bürger von Flagge keine Rolle mehr, wenn die Polizei wirklich darauf erpicht war, jemanden festzunageln. Die Leute hinter ihren Reflektorfenstern bekamen da ein beachtliches Schauspiel geboten.
Aber man konnte sich Schlimmeres vorstellen. Die Patrouillenschweber könnten auch Sucherraketen abschießen – und einer dieser kleinen Flugkörper konnte gewaltigen Schaden anrichten, wenn er sein Ziel verfehlte und ein Gebäude traf oder sich an ein anderes Fahrzeug anhängte, das mit der ganzen Geschichte nichts zu tun hatte. Wie lautete noch gleich der Euphemismus für solche Pannen?
TFF – Tödlicher Fahndungsfehler.
Tut uns Leid, Ihr Mann ist gerade infolge eines tödlichen Fahndungsfehlers in eine Million Stücke zersprengt worden.
Zeit, aus dieser von Menschenhand geschaffenen Schlucht über die Dächer der Gebäude aufzusteigen, wo er manövrieren konnte. Sonst war es nur eine Frage der Zeit, ehe einer dieser schießwütigen Schweberjockeys ihn traf.
Tristan war gerade dabei, den Knüppel zu sich herzuziehen, als ein
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