Geheimauftrag: Liebe
eingedrungen, sodass sie kaum Schlaf finden konnte. Sie hoffte auf mehr Ruhe für die kommende Nacht, um auch ausgiebig über ihre nächsten Schritte nachzudenken und ob sie Charles einweihen sollte. Zwar hatte sie sich damit abgefunden, dass sie ihm irgendwann alles sagen musste, aber sie wollte zumindest überlegen, wie sie die Tatsachen in einem besseren Licht darstellen konnte.
Sie betrat das Haus von der Gartenseite, blieb stehen und überlegte, wo sie sich am besten verstecken und ungestört sein
konnte. Zumindest für eine Weile, denn den ganzen Abend, wie es ihr am liebsten gewesen wäre, das ging bestimmt nicht. Charles war nicht gerade für seine Geduld bekannt.
Hingegen für seine Hartnäckigkeit.
Der Obstgarten. Sie raffte die Schleppe ihres Rockes und wirbelte herum, öffnete die Tür erneut und spähte hinaus. Charles hatte die Stallungen noch nicht wieder verlassen und war vermutlich damit beschäftigt, die Pferde abzureiben. Schnell schlüpfte sie aus dem Haus und lief zu den Büschen, dabei geschickt die Deckung der Hecken nutzend, um ungesehen zum Obstgarten zu gelangen. Erleichtert tauchte sie ein in das Meer aus rosa und weißen Blüten, die sie vor neugierigen Blicken aus der Abbey verbargen.
Eine alte Schaukel hing vom Ast eines knorrigen Apfelbaums herab. Sie ließ sich mit einem Seufzen auf den Sitz sinken – hier konnte sie hoffentlich lange genug bleiben, um in aller Ruhe nachzudenken. Über alles, was sich in den letzten Monaten zugetragen hatte, und über das, was sich daraus vermutlich ergeben würde.
Viel Zeit blieb ihr nicht, denn Charles fand sie bereits eine halbe Stunde später. Nachdem er sie in ihrem Zimmer nicht finden konnte und auch ihr Reitkostüm dort nicht entdeckte, hatte er gleich die Suche auf die Gärten verlegt. Dann sah er sie, wie sie langsam auf der Schaukel hin und her schwang, den Blick geistesabwesend auf den Horizont gerichtet.
Er erwog, zu ihr zu gehen, doch dann würde sie ihn bemerken. Selbst wenn sie ihn weder sehen noch hören konnte. Penny spürte es einfach, wenn er sich ihr näherte. Das war so gewesen, solange er sich zu erinnern vermochte. Er schaffte es, sich unbemerkt an feindliche Wachen heranzuschleichen, nicht aber an sie. Letzte Nacht hatte es nur deshalb funktioniert, weil er bis ganz zum Schluss viel Abstand gehalten hatte.
Charles zögerte. Sollte er sich bemerkbar machen oder sich vorsichtig zurückziehen? Sie ihren Gedanken überlassen? Nein, es gab Dinge, die sie ihm sagen musste. Jetzt. Es war wichtig, ihr klarzumachen, dass sie, gleichgültig wie sie darüber dachte, keine andere Wahl hatte, als ihn einzuweihen, und das so rasch wie möglich. Seit der Begegnung mit Arbry war er nicht mehr bereit, ihr ihre Geheimnisse zu lassen, keinen Tag länger. Er musste wissen, was sie vor ihm verbarg, damit er herausfinden konnte, was hier vor sich ging. Und ihr Cousin Arbry schien bei alldem eine Rolle zu spielen. Wenn er sie aus seinen Ermittlungen heraushalten konnte, würde er keine Sekunde zögern, doch er sah augenblicklich keine Möglichkeit dazu.
Aber eins nach dem anderen. Als Erstes musste er erfahren, was sie über die Sache wusste. Bei jedem anderen hätte er das längst mit allen Mitteln versucht, nur war eine solche Taktik bei Penny nicht möglich, wenigstens nicht für ihn. Es wäre für sie beide zu schmerzlich. Allein sie heute Nachmittag in den Sattel zu heben, war schlimm genug gewesen. Für sie wie für ihn. Er hatte schnell nach Arbry gefragt, um die Befangenheit nicht noch größer werden zu lassen, aber er konnte der Situation nicht dauernd aus dem Weg gehen. Nicht wenn es seinen Auftrag berührte.
Er ging zu ihr – laut genug, damit sie seine Schritte hören konnte. »Sag mir, warum du beschlossen hast, in die Abbey überzusiedeln?«
Penny schaute ihn an. Langsam weiterschaukelnd beobachtete sie, wie er sich gegen einen Baumstamm in der Nähe lehnte, die Hände in den Hosentaschen, seinen dunklen Blick fest auf sie gerichtet.
Sie waren ein Liebespaar gewesen – früher, allerdings nur ein einziges Mal.
Das hatte jedoch gereicht, sie zu lehren, dass es nicht klug
wäre, die Beziehung fortzusetzen, wenigstens nicht für sie. Er war damals zwanzig, sie sechzehn. Er hatte die Geschichte wohl rein körperlich gesehen, für sie hingegen bedeutete sie so unendlich viel mehr. Dennoch bestand die Verbindung zwischen ihnen weiter – selbst jetzt noch nach dreizehn Jahren und trotz größter Anstrengungen ihrerseits, ihn
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