Geheimauftrag: Liebe
entschieden, den die Familie benutzte, wenn keine Gäste anwesend waren. Er führte sie zu ihrem Platz am einen Ende des Tisches, ging dann zu dem geschnitzten Stuhl am Kopfende. Obwohl der Tisch kürzer war als sonst, trennten sie noch knapp acht Fuß schimmerndes Mahagoni. Kein Grund für sie, sich aufzuregen.
Sie griff nach dem Weinglas, das Filchett gerade gefüllt hatte, lächelte dem Butler freundlich zu und erinnerte sich daran, dass ein Abendessen nur mit Charles nicht bedeutete, tatsächlich mit ihm alleine zu sein.
Ein Windstoß peitschte den Regen, der vor einer knappen halben Stunde eingesetzt hatte, prasselnd gegen die Fensterscheiben. Wenigstens würde Nicholas heute Nacht nicht unterwegs sein und sie nichts versäumen, dachte Penny.
Sobald der erste Gang serviert war, gab Charles dem Butler ein Zeichen, sich mit den Lakaien zurückzuziehen.
Dann richtete er seinen Blick auf sie. »Ich habe im Debretts nachgeschlagen: Amberly, Nicholas’ Vater, war beim Foreign Office.«
Sie nickte und löffelte weiter ihre Suppe. Sie wartete so lange, wie sie es nur wagte, ehe sie antwortete: »Er hat sich schon vor Jahren in den Ruhestand zurückgezogen, 1809 oder so.«
Was konnte er sich sonst zusammengereimt haben? Es gab
nur eine wesentliche Tatsache, die sie kannte und er nicht. Würde er es erraten oder stattdessen eine direkte Linie von Nicholas zu den Schmugglern ziehen, ohne zu merken, dass es dazwischen noch ein Verbindungsglied gab?
Sie legte ihren Löffel hin, griff nach ihrer Serviette und schaute ihn an, während sie ihre Lippen betupfte. Er aß weiter seine Suppe, und seine Miene verriet nichts, doch schließlich hob er den Kopf und sah zu ihr hinüber, suchte ihren Blick.
Er hatte die Alternativen begriffen.
Sie schaute weg, als Filchett und die Diener zurückkehrten, um den Hauptgang aufzutragen, während Charles in seinen Stuhl zurückgelehnt darauf wartete, dass alle anderen den Raum wieder verließen. »War Nicholas in den Jahren vor Granvilles Tod oft zu Besuch auf Wallingham Hall?«
Sie hielt den Blick auf ihren Teller gesenkt. »Er hat uns immer mal wieder besucht seit seiner Kindheit – Amberly und Papa waren eng befreundet.«
»Ach ja?«
Das klang beiläufig, war es indes nicht, wie sie genau wusste.
»Im letzten Jahrzehnt kam er dann nicht mehr regelmäßig?«
Sie wünschte, sie könnte lügen, aber er würde es überprüfen und herausfinden. »Nein.«
Zu ihrer Überraschung ließ er es dabei bewenden und wandte seine Aufmerksamkeit dem Lammbraten zu.
Unter gesenkten Lidern beobachtete Charles, wie sich ihre Nervosität sichtlich steigerte, wie sie sich dafür wappnete, seinen nächsten Vorstoß zu parieren, seine nächste Frage. Da er sie nicht einzuschüchtern vermochte, hatte er beschlossen, ihr zu demonstrieren, dass er nicht nachlassen würde mit seinen bohrenden Fragen, bis sie aufgab und ihm alles sagte, was sie wusste.
Die Zeit, die er ihr zum Nachdenken gewährt hatte, war abgelaufen. Seit er wusste, dass Arbry mit drinhing und Amberly in Diensten des Außenministeriums gestanden hatte, kannte er kein Pardon mehr. Immerhin glaubte man zu wissen, dass es genau in dieser Dienststelle einen Verräter gab.
Er schwieg, bis Mrs. Slatterys Zitronenquarkpudding, sein Lieblingsdessert, vor ihnen stand und Filchett gegangen war. Er hob sein Weinglas und lehnte sich zurück, nippte davon, schaute zu Penny hinüber.
»Du beschützt jemanden, doch es ist nicht Arbry.«
Sie schaute auf – er hielt ihren Blick gefangen.
»Also, wer sonst? Deine Familie besteht aus lauter Frauen. Keine von ihnen hat etwas damit zu tun.«
Sie schluckte ihren letzten Bissen Pudding. »Natürlich nicht.«
»Also, wer sonst könnte darin verwickelt sein, dass Staatsgeheimnisse über Fowey außer Landes geschafft wurden? Jemand, den du unbedingt beschützen willst?« Charles blieb unerbittlich, hakte genau an dem wunden Punkt immer wieder nach. Wer war es, den sie nicht verraten wollte?
Als sie ihren Löffel hinlegte und ihn wieder ansah, zog er fragend eine Braue hoch. »Vielleicht jemand von den Leuten auf Wallingham?«
Ihr Blick wurde verächtlich. »Sei nicht albern.«
»Mutter Gibbs selbst?«
»Nein.«
»Dann ihre Söhne? Führen die Gibbs-Brüder immer noch die Fowey Gallants an?«
Sie runzelte in gespielter Verwirrung die Stirn. »Ich bin mir nicht sicher, wie ich darauf antworten soll. Aber ja, sie stehen nach wie vor an der Spitze der Gallants. Ich wage zu behaupten, das werden
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