Geheimauftrag: Liebe
vor Nicholas, doch unglücklicherweise war Lady Essington, Millies und Julias Schwiegermutter, ein wahrer Drache und würde am Ende von ihr erwarten, dass sie die ganze Zeit mit den beiden jungen Frauen verbrachte, nicht nur tagsüber, sondern auch abends – von nachts ganz zu schweigen. Sie würde niemals herausfinden, was vor sich ging und was sie tun musste, um Elaine und ihre Halbschwestern zu schützen.
Zum anderen konnte sie nach Wallingham Hall heimkehren, da es in puncto skandalöses Verhalten zweifellos schicklicher war, mit Nicholas unter einem Dach zu leben als mit Charles, doch das wollte sie nicht. Sie wünschte ihn so weit weg wie möglich, und vor allem sollte er nichts von ihren Nachforschungen mitbekommen.
Alles in allem schien ihr die dritte Option am besten zu sein.
Sie lächelte beschwichtigend. »Eine ältere Cousine der Countess namens Emily lebt derzeit in der Abbey, daher gibt es keinen Grund für mich, nicht dort zu bleiben, solange du dich auf Wallingham Hall aufhältst.«
Sie schaute zu Charles hinüber, dessen Miene ausdruckslos blieb, während er Nicholas studierte. Er verriet sie mit keinem Wimpernzucken.
»Aha, verstehe.« Es war Nicholas’ Pferd, das sich unruhig bewegte. Nach einer winzigen Pause, in der er vergeblich nach einem anderen Grund suchte, damit sie nach Wallingham zurückkam, lenkte er ein. »Dann verabschiede ich mich hier.« Er nickte Charles zu. »Lostwithiel. Wir sehen uns zweifellos wieder.«
»Da bin ich sicher.« Charles erwiderte das Nicken, aber seine Worte klangen alles andere als freundlich.
Es reichte. Mit einem anmutigen Nicken trieb Penny ihre Stute an. Der Graue folgte und blieb neben ihr. Charles wartete, bis sie um die nächste Straßenbiegung geritten waren, ehe sie leise fragte: »Wo kommt Cousine Emily doch gleich her?«
»Wenn sie die Cousine deiner Mutter ist, muss sie wohl aus Frankreich stammen.«
»Wahrscheinlich. Und was geschieht, wenn sich der liebe Nicholas ganz zufällig oder auch völlig absichtlich nach ihr erkundigt?«
Sie hielt ihren Blick nach vorne gerichtet. »Bis vor kurzem hat Cousine Emily bei anderen Verwandten gewohnt – sie ist erst vor wenigen Tagen hier eingetroffen, um das mildere Klima zu genießen …«
»Ein milderes Klima, das ihr empfohlen wurde als Linderung für ihre steifen Glieder, nehme ich an?«
»Ganz genau. Wie auch immer: Cousine Emily zieht es vor, sich auf Französisch zu unterhalten und hält sich für zu alt, um sich in Gesellschaft zu begeben. Im Grunde genommen ist sie eine Eigenbrötlerin, die keine Besucher empfängt.«
»Wie überaus günstig.«
»Allerdings. Deine Cousine Emily ist die perfekte Anstandsdame.«
Sie spürte seinen Blick brennend heiß auf ihrem Gesicht.
»Was ist mit Arbry, dass du seinetwegen in die Abbey umgesiedelt bist?«
Sie atmete aus, wusste aber, er würde so lange warten, bis sie ihm antwortete. »Ich traue ihm nicht ganz.«
»Auf persönlicher Ebene?«
Sein Tonfall verriet nichts, und doch schwang darin eine unverkennbare Drohung mit. »Nein«, beeilte sie sich zu versichern, »nichts Persönliches. Ganz und gar nicht.«
Sie kannte seine nächste Frage, bevor er sie stellte, und legte sich schon eine Antwort zurecht, die ihren Verdacht zwar erklärte, aber das Wesentliche gleichzeitig aussparte.
»Ist Arbry derjenige, den du beschützt, oder derjenige, dem du gestern gefolgt bist – oder beides?«
Sie schaute ihn an, riss die Augen auf. Woher wusste er all das, wie hatte er es erraten können?
Er erwiderte ihren Blick ruhig und wartete schweigend.
Mit zusammengepressten Lippen schaute sie ihn an, während sie langsam auf die Brücke über den Fluss zuritten. Sie kannte ihn, und er kannte sie. Der Lärm, den die Hufe auf den Holzbohlen machten, verschaffte ihr eine Minute zum Nachdenken. Als sie die Lehmstraße erreichten, antwortete sie: »Ich beschütze ihn nicht, aber er ist der, dem ich gefolgt bin.«
Dann trieb sie ihre Stute Gilly zum Galopp an. Charles begriff, was sie damit bezweckte, und stellte ihr für den Rest des Weges keine weiteren Fragen mehr.
In den Ställen entwischte sie ihm, während er noch beide Pferde am Zügel hielt. Er warf ihr einen finsteren Blick hinterher, ließ sie aber gehen. Beim Haus blieb sie stehen, schaute zurück, doch er hatte keine Anstalten gemacht, ihr zu folgen.
Das konnte ihr nur recht sein. Letzte Nacht, nachdem sie ihn in der Küche zurückgelassen hatte, waren die Erinnerungen unablässig auf sie
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