Geheimauftrag: Liebe
regenverhangene Landschaft. »Tatsächlich ist es hilfreich. Wenn du es genau wissen willst: Ich weiß nicht, ob ich dem Draufgänger getraut hätte, der du früher warst. Ich wäre mir deiner Reaktion nicht sicher gewesen. Jetzt allerdings …«
Er wartete geduldig, hoffte … Schließlich seufzte er und lehnte den Kopf gegen die Steinmauer. »Was willst du wissen?«
»Mehr. Nur weiß ich nicht genau, wonach ich suche, sodass ich auch nicht weiß, welche Fragen ich stellen muss. Aber …«
»Aber was?«
»Warum hast du London verlassen und bist hergekommen? Gut, dein früherer Vorgesetzter hat dich geschickt, damit du dich hier umschaust, doch du unterstehst ihm nicht länger – du hättest dich nicht bereiterklären müssen. Immerhin warst du nie sonderlich erpicht darauf, dich von anderen herumschicken zu lassen – was sich nicht geändert hat, möchte ich wetten. Noch merkwürdiger finde ich die Sache allerdings, wenn ich an die Erwartungen und, nun, Träume denke, die deine Familie hinsichtlich deiner Zukunft hegt. Sie sind nach London gegangen, um dir dabei zu helfen, eine Frau zu finden, deine Hochzeit zu planen. Sie waren so voller Freude, und da kehrst du London den Rücken, als ob dich das alles nichts anginge.«
Sie starrte über die Brüstung in die regennasse Ferne. »Wenn du dageblieben wärest, ihnen nachgegeben, geflirtet, gelacht und gescherzt hättest, um dann einfach deiner Wege zu gehen, dann würde mich das nicht sonderlich überrascht haben. Aber du hast etwas für mich völlig Unerwartetes getan – du bist gegangen, hast sie verlassen.«
Man konnte aus ihrem Tonfall heraushören, wie schwer es ihr fiel, das zu verstehen. »Es ist fast so, als ob du hättest fliehen wollen.«
Er schloss die Augen. Sie machte eine Pause, dann stellte sie die eine Frage, vor der er sich fürchtete. »Warum?«
Er unterdrückte ein Seufzen. Wie konnte er nur zulassen, dass sich die Sache so weiterentwickelte? Doch in Anbetracht ihrer ehrlichen Verwirrung musste er antworten.
»Ich …« Wo sollte er anfangen? »Das, was ich in Toulouse getan habe, dazu gehörte … ein großes Maß an Täuschung. Nicht nur von meiner Seite, denn auch andere mussten sich verstellen und betrügen.«
»Ich kann mir denken, dass die Tätigkeit eines Spions auf
Täuschung beruht – wenn du nicht überzeugend gelogen hättest, wärest du gestorben.«
Sein Lächeln kam spontan. Er öffnete die Augen, schaute sie allerdings nicht an. Mit ihr im Dunkeln zu reden, war seltsam tröstend, gewährte ihnen auf gewisse Art ein schützendes Alleinsein, in dem sie einander alles anvertrauen konnten.
»Das stimmt, und doch …« Er brach ab, denn wenn er ihr jetzt alles sagte, wäre es das erste Mal, dass er seine verborgensten Gefühle in Worte fasste. Er entschied, dass es egal sei. Es war die Wahrheit, seine Wirklichkeit. »Nachdem ich dreizehn Jahre lang unter ständiger Täuschung gelebt habe, Jahre, in denen Lug und Trug mein täglich Brot waren, fiel mir die Rückkehr in die gute Gesellschaft schwer, zu diesem gekünstelten Lächeln, den aalglatten Bemerkungen, zu listiger Falschheit und Unehrlichkeit, zu all der Oberflächlichkeit dieses Glanzes…« Seine Miene und seine Stimme wurden härter. »Ich konnte es einfach nicht.«
Nach einem Moment sprach er weiter. »Diese jungen Dinger, von denen sie wünschen, dass ich sie als mögliche Kandidatinnen betrachte – sie sind nicht wirklich geistlos, stellen sich aber irgendwie absichtlich blind. Sie wollen einen Helden heiraten, einen wilden, leichtsinnigen und attraktiven Earl, der – wie alle Welt weiß – sich um nichts kümmert.«
Sie lachte kurz, ungläubig. »Du? Jemand, dem alles gleichgültig ist?«
»Wenigstens glauben sie das.«
Sie gab einen verächtlichen Laut von sich. »Deine Brüder mögen vielleicht diejenigen gewesen sein, die zur Verwaltung der Ländereien erzogen wurden, aber du warst es immer, der diesen Ort am besten kannte – und liebte. Du bist derjenige, der jede Wiese, jedes Feld, jeden Baum und jeden Zoll Boden kennt.«
Er zögerte, dann sagte er: »Das wissen andere nicht.«
Seine tiefe Verwurzelung mit der Abbey war der Grund, weshalb er sich hierher zurückgezogen hatte. Er war restlos davon überzeugt, dass er trotz seines dringenden Wunsches, eine Frau zu finden, keine Ehe ertragen könnte, die, wenn auch nicht auf Täuschung, so doch auf nicht mehr als höflich vorgetäuschter Zuneigung fußte. Sich an so einer Charade zu beteiligen, das
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