Geheimauftrag: Liebe
sie auch weiterhin tun – die Gibbs sind seit über vierhundert Jahren mehr oder weniger Piraten.«
»Treffen sie sich immer noch im Cock’n’Bull ?«
»Ja.«
Also war sie dort gewesen, war jemandem dorthin gefolgt – und zwar erst kürzlich. »Hast du irgendeine Idee, ob sie in diesen Geheimnisverrat verwickelt sein könnten?«
»Das weiß ich nicht.«
»Welche Banden sind noch im Geschäft?«
Er führte sie mit seinen Fragen durch den ganzen Distrikt, sodass er sich am Ende zumindest ein Bild darüber machen konnte, mit wem sie in letzter Zeit Kontakt gehabt oder nach wem sie sich erkundigt hatte.
Die Geschwindigkeit, mit der er die Fragen stellte, öffnete Penny schließlich die Augen. Sie redeten gerade über die Essington-Brüder, Millies und Julias Ehemänner, als es ihr wie Schuppen von den Augen fiel, dass er sie auf diese Weise überlisten wollte. Sie brach mitten im Satz ab, starrte ihn einen Moment an und schloss den Mund. Ganz fest, endgültig.
Er reagierte mit einem Heben der Brauen, warf ihr einen Blick zu, der besagte: »Was hast du erwartet?«
Genau. Sie legte ihre Serviette mit Nachdruck auf den Tisch und erhob sich. Er folgte ihr langsamer.
»Wenn du mich entschuldigen willst – ich ziehe mich jetzt für die Nacht zurück.«
Sie drehte sich um, aber da war er schon bei ihr. Er ging neben ihr zur Tür. Eine Hand auf der Klinke hielt er inne, sah sie an. Wartete, bis sie sich innerlich gewappnet hatte, den Kopf hob und ihm in die Augen schaute.
»Keine Spielchen mehr, Penny. Ich muss es wissen, und zwar bald.«
Sie standen nicht mehr als einen Fuß voneinander entfernt. Auch wenn ihre Gefühle erneut in einen verstörenden Taumel gerieten, missverstand sie den Ausdruck in seinen Augen nicht. Es war sein voller Ernst. Immerhin war er jetzt offen mit ihr,
geradeheraus. Er versuchte nicht, sie einzuwickeln, zu umgarnen oder Druck auf sie auszuüben.
Obwohl er wusste, dass er es könnte. Der Augenblick im Obstgarten hatte ihm fraglos gezeigt, welche Macht er nach wie vor über sie hatte.
Wenn er sie benutzen wollte.
Sie legte den Kopf schief, schaute in seine Augen und verstand, dass er bewusst die Wahl getroffen hatte, das, was sie beide verband, nicht für seine Zwecke einzusetzen. Er wollte sie nicht auf diese Weise zwingen, ihre Geheimnisse preiszugeben.
Er ging mit ihr ehrlich um. Nur er und sie wie vor langer Zeit.
Gerührt und innerlich seltsam zerrissen – in Versuchung geführt, die Gelegenheit beim Schopf zu packen und offen mit ihm zu sein – hob sie eine Hand und fasste ihn am Arm. »Ich werde es dir sagen. Das weißt du.« Sie zwang sich, tief durchzuatmen. »Aber noch nicht. Ich muss wirklich erst nachdenken – lass mir ein bisschen mehr Zeit.«
Er schaute ihr suchend in die Augen, ins Gesicht, dann nickte er langsam. »Also gut, nicht mehr viel allerdings.« Er öffnete die Tür und ließ sie hinaus. »Wir sehen uns morgen.«
Sie nickte, wünschte ihm eine gute Nacht und stieg die Treppe hoch.
Charles blickte ihr nach, bevor er sich in die Bibliothek begab.
Das nächste Mal sah er sie spät am Abend wieder und nicht morgens, wie er erwartet hatte.
Währenddessen verbrachte er seine Zeit damit, Burke’s Peerage und Debrett’s durchzublättern, um Amberlys Verwandtschaftsbeziehungen und andere Verbindungen zu studieren und nach Leuten aus der Gegend zu suchen, die irgendwie
mit dem Foreign Office zu tun haben könnten oder mit anderen Regierungsbehörden, und nach jemandem, der sich mit Penny in Verbindung bringen ließ. Vergeblich. Er drehte die Lampen herunter und ging zur Treppe, gerade als die Uhren im Haus halb zwölf schlugen.
Auf dem Treppenabsatz blieb er stehen, schaute zu dem riesigen Bogenfenster, dessen Mitte das Wappen der St. Austell aus buntem Glas zierte. Der Regen prasselte dagegen, klopfte ein Stakkato gegen die Scheiben, der Wind stöhnte leise. Die Elemente riefen ihn, lockten die wilde Seite seines Charakters, die über die Jahre verschüttet, abgemildert und gezähmt worden war …
Voller Selbstverachtung stieg er den linken Teil der Treppe hoch, begab sich nicht zu seinen Räumen, wie er es eigentlich vorgehabt hatte, sondern schlug den Weg zur Witwensteige ein.
Hoch oben auf der Südseite der Abbey verlief direkt unter dem Dach auf einer Länge von etwa dreißig Fuß ein an einer Seite offener Gang mit steinerner Brüstung, der einen atemberaubenden Ausblick auf den Meeresarm bot. Selbst in tiefster Nacht, wenn Wolken den Mond
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