Geheimauftrag: Liebe
bereits als Kind unscheinbar und leicht plump, war eine eher reizlose, mollige junge Frau, die sich jetzt intensiv mit Carmichael beschäftigte. Keine Frage, dass die Cranfields sich in dieser Richtungen Hoffnungen für ihre Tochter machten.
Mrs. Cranfield wandte sich an Penny. »Liebes, du denkst doch daran, mir das Rezept zu schicken, nicht wahr?«
Penny lächelte und drückte ihr die Hand. »Ich werde gleich morgen einen Stallburschen losschicken.« Sie legte ihre Hand wieder auf Charles’ Arm und nickte zum Abschied.
Mrs. Cranfield strahlte sie an und ließ sie ziehen.
Ein weiterer Walzer hatte begonnen. Charles schaute über die Köpfe der Tänzer, merkte sich, wer tanzte und wer nicht, fasste dann ihren Ellenbogen und steuerte sie zu den geöffneten Gartentüren. Sie traten in die frische Nachtluft und gingen ein paar Schritte auf der großen Terrasse.
»Das sind vier«, sagte sie und blieb an der Balustrade stehen. »Keiner von ihnen scheint mir sonderlich verdächtig, oder dir etwa?«
Charles stellte sich neben sie und schaute zurück zum Ballsaal. »Aber es ist auch keiner wirklich ausgeschieden. Gimby war weder groß noch kräftig. Alle von ihnen wären körperlich in der Lage, einen Mann wie ihn zu überwältigen. Zudem sind alle seit mindestens vier Tagen in der Gegend – waren also bereits hier, als Gimby ermordet wurde.«
»Du hattest gehofft, es würde nur einer übrig bleiben?«
»Dann wären unsere Nachforschungen erheblich leichter geworden.«
Aus dem hell erleuchteten Saal wehten die Klänge der Musik zu ihnen hinüber. Als Charles nach ihr griff, reagierte sie zu langsam, und er konnte sie ungehindert in seine Arme ziehen. Er hielt sie dicht an sich gedrückt, viel dichter, als es in der Öffentlichkeit gestattet war – so dicht wie bei ihren letzten leidenschaftlichen Umarmungen.
Ihre Lippen berührten sich, ihre Röcke raschelten an seinen Beinen, während er zum Takt der Musik einen wesentlich intimeren Tanz begann. Während sie sich wiegten und drehten, blickte sie sich kurz um, doch auf der Terrasse war sonst niemand
zu sehen. Sie richtete den Blick wieder auf sein Gesicht, musterte sein energisches Kinn und die verführerischen Linien seiner Lippen, und sprach aus, was auf der Hand lag. »Charles, das hier ist keine gute Idee.«
»Warum nicht?« Seine Stimme war eine dunkle Liebkosung. »Du magst es doch.«
Das aber war genau der Grund, weshalb sie es für eine schlechte Idee hielt. Sie wagte es nicht, tief Luft zu holen, denn sonst würde sich ihr Busen gegen seine Brust drücken. Sie schaute ihm in die Augen, war sich des Drängens ihres Körpers bewusst wie immer, wenn sie in seinen Armen lag. Doch je mehr Zeit sie mit ihm verbrachte, desto mehr gab sie sich der Versuchung hin, desto weniger Widerstand brachte sie in sich auf. Dann las sie die Botschaft in seinen Augen, und sie hatte das Gefühl, ihr Herz müsse aussetzen.
»Charles, hör mir bitte zu. Wir werden Vergangenes nicht noch einmal aufleben lassen.«
Er lächelte nicht, zeigte nicht sein Piratengrinsen und gab keine scherzhafte Antwort. Stattdessen schaute er ihr eindringlich in die Augen, und sie erkannte, dass er sich selbst zuvor all diese Fragen gestellt hatte, ehe er mit tiefer, leiser Stimme erklärte: »Es ist nicht die Vergangenheit, an der ich interessiert bin.«
Im Ballsaal endete die Musik mit einem schwungvollen Tusch. Auch Charles hielt inne in ihrem verführerischen Tanz, ließ sie los, fuhr mit seiner Hand liebevoll über ihre seidenbedeckte Hüfte, eine letzte hitzige und verbotene Zärtlichkeit. Er nahm ihre Hand und legte sie sich auf den Arm. »Komm, wir müssen noch einen weiteren Fremden kennenlernen.«
Sie betraten den Ballsaal, und er führte sie zu einer Gruppe jüngerer Herren, die den wenigen anwesenden jungen Damen als Tanzpartner zur Verfügung standen. Die meisten im heiratsfähigen Alter hielten sich derzeit in London auf.
Mark, der jüngste Sohn der Trescowthicks, ein verweichlichter, modebewusster Dandy, der erst kürzlich aus Oxford heimgekehrt war, hielt Hof im Kreise seiner Altersgenossen, unter denen sich auch ein dünner, hochgeschossener Jüngling mit dunklem Teint befand, den Penny nie zuvor gesehen hatte.
Für die jungen Männer der Umgebung war Charles beinahe so etwas wie ein Halbgott, und sobald er in die Nähe kam, nahmen sie Habachtstellung ein. Mit seiner gewinnenden Art nickte er allen freundlich zu, begrüßte sie mit Namen, woraufhin die meisten verlegen
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