Geheimauftrag: Liebe
galt.« Aus gutem Grund, wie es schien. Beim Walzer mit anderen
Männern hatte sie sich nie anders als elegant und anmutig gefühlt. Jetzt hingegen lief sie Gefahr, ihre Contenance zu verlieren – und das Vermögen, klar zu denken.
Allerdings schien der Walzer wie geschaffen, Charles’ Ausstrahlung und seine Kraft bestmöglich zur Schau zu stellen. Mit selbstsicherer Eleganz wirbelte er sie durch den Saal. Sie waren ein Ereignis, denn die Köpfe der anderen Gäste wandten sich ihnen mit unverhohlener Neugier zu.
Sie versuchte sich in seinen Armen zu entspannen, überließ sich seiner meisterlichen Führung, ohne bewusst darüber nachzudenken, denn sonst würde sie stolpern – und er würde sie auffangen, lachen und sie auf die Füße stellen. Sie war fest entschlossen, es nicht so weit kommen zu lassen.
Und das gelang ihr. Ohne sichtliche Anstrengung.
Allerdings nicht, ohne einen Preis dafür zu zahlen.
Es war unmöglich, darüber hinwegzusehen, wie gut sie zusammenpassten – er ausgesprochen hochgewachsen und sie ebenfalls groß, dazu schlank und langbeinig. Ein ideales Paar. Auch sonst harmonierten sie. Wie mühelos er sie hielt, wie kontrolliert er sie führte und wie sie ihm diesmal willig folgte.
Trotzdem oder gerade deswegen fühlte sie sich in einen Zustand angespannter Wachsamkeit versetzt, denn bei jeder Drehung des Walzers spürte sie die machtvolle Anziehung, die zwischen ihnen bestand, obwohl sie das gerne geleugnet hätte.
Doch dieser Selbstbetrug funktionierte immer weniger, je öfter sie merkte, dass auch in ihm noch dasselbe erotische Interesse und dieselben Wünsche geweckt wurden, sobald sie zusammen waren. Wie sollte sie da nicht reagieren – tiefer und grundlegender, als es vermutlich klug war.
Seine Hand lag mit gespreizten Fingern auf ihrem Rücken, und es fühlte sich an, als würde sie ihre Haut durch den Stoff des Kleides verbrennen. Es war nicht einfach nur eine Berührung,
sondern eine Verheißung – ebenso wie sein harter Oberschenkel, der sich gegen ihren drückte, während er sie über das Parkett führte. All das weckte Erinnerungen.
Ihre Sinne erbebten unter dem Ansturm, und sie zwang sich zur Konzentration, mahnte sich zur Vernunft und wappnete sich gegen die Versuchung, der sie zu erliegen drohte. Bis sie mit einem Mal bemerkte, dass es ihm nicht anders ging als ihr – das er genauso empfand, genauso dachte und fühlte wie sie.
Es wurde ihr schlagartig bewusst, als die Musik endete und er zögernd langsamer wurde, stehen blieb und sie losließ. Sie hörte, wie er Luft holte – so angestrengt wie sie selbst –, und diese Erkenntnis beruhigte sie. Wenn das hier als Schwäche betrachtet werden musste, dann war sie zumindest nicht alleine damit.
»Nicholas«, murmelte Charles plötzlich. Arbry stand ein Stück entfernt und sprach mit Lord Trescowthick. Er wirkte blass, seine Körperhaltung steif; zudem trat er unruhig von einem Fuß auf den anderen. »Er scheint sehr angespannt zu sein. Ist er das oft?«
Penny betrachtete ihren Cousin eine Weile: »Als er zuerst herkam, nein, aber seit seinem Besuch vor fünf Monaten wirkt er nervös. Außerdem scheint er schlecht zu schlafen.«
Charles nahm ihren Arm. »Es gibt wenigstens fünf anwesende Herren, die ich nicht einordnen kann.« Als auch sie nicht wusste, um wen es sich handelte, zog er sie weiter. »Lass uns sehen, was wir über sie herausfinden können.«
Weil die Gäste sich inzwischen zu Grüppchen zusammengeschlossen hatten, war es leicht, von einem Gespräch zum anderen zu schlendern. Als Erstes gesellten sie sich zu Lady Essington, Millies und Julias einschüchternder Schwiegermutter, neben der ein großer, beleibter Herr stand.
Es stellte sich heraus, dass es sich um einen Mr. Yarrow handelte,
einen Verwandten von Lady Essington, der sich im vergleichsweise milden Klima Cornwalls von einer Lungeninfektion erholen wollte. Er war ein wortkarger Mann in den Dreißigern mit haselnussbraunen Augen und sah eigentlich sehr gesund aus.
Die resolute Lady Essington schien nicht geneigt, Penny an Charles’ Arm einfach davonziehen zu lassen, und er fragte sich, ob sie eventuell für Mr. Yarrow ein Auge auf sie geworfen hatte. Zum Glück kam gerade Mr. Robinson, ein Gentleman aus der Gegend, vorbei und entführte sie zu einem Ländler.
Nachdem er Penny in Sicherheit wusste, befreite er sich selbst aus Lady Essingtons Klauen und zog sich an den Rand des Ballsaals zurück, um geduldig auf Pennys Rückkehr zu
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