Geheimcode F
jedes Tier, wenn es nur laufen kann, also lauf, mein Liebchen, lauf, solange es noch geht!« Gerard versuchte mit den schaurigen Zukunftsaussichten Marie-Antoinette zum Schnellergehen zu überreden. » Viribus unitis — werden wir es schaffen!«
»Mit vereinten Kräften, aber sicher.« Opa war schon wieder guter Dinge. Wahrscheinlich, weil der Futternapf winkte, dachte Tobias, als sie in Madame Duffys Küche kamen. Die erkundigte sich auch gleich nach dem Erfolg des Unternehmens »Tarzan«. Obwohl die betretenen Gesichter eigentlich schon Bände sprachen. »Ich verstehe das nicht.« Opa schüttelte den Kopf. Tobias blickte in die Runde: »Ist Françoise da?« — »Nein, die ist mit Alain unterwegs.« Madame Duffy lächelte verständnisvoll. Es war ihm langweilig, dem jungen Mann. Verständlich, wenn man so gar nicht ausgelastet war. »Deine Eltern sind mit Rica ins Dorf gegangen. Wollten sich mal dort nach Tarzan erkundigen.« Alle ausgeflogen. Tobias beschloß, sich auf dem Hof etwas genauer umzusehen.
Die Ruhlands waren schon eine ganze Weile querfeldein marschiert. Viel Landschaft und weiter nichts Interessantes, dachte Rica, die sich vorstellte, wie es so wäre, jetzt im Bikini, einen schicken, kühlen Fruchtdrink in Händen, am Strand zu liegen, die lauen Wellen plätschern zu hören. Und dazu einen schnuckeligen Spanier, der natürlich erfolglos versuchte, mit ihr zu flirten.
Vaters »Hallo!« und Doras schrilles »Monsieur!« brachten sie schnell in die Realität zurück. Und die war die provenzalische Heimatscholle. Beinhart, staubig, trocken, mit ein bißchen Grün links und rechts. Welcher Unterschied! Jetzt erst erblickte sie den Grund für die elterlichen Schreikonzerte: Ein Bauer verrichtete einige Meter weiter sein Tagwerk.
»Hallo, einen Moment, bitte. Haben Sie unseren Hund gesehen? Einen Bernhardinermischling, ungefähr so groß...« Vater und Mutter konnten sich, was die Größe des Tieres anlangte, wieder einmal nicht einig werden. Der Bauer schüttelte den Kopf: »Nein, ich weiß nichts von einem entlaufenen Hund. Sie sollten ihn aber schnell finden, bevor ihn Monsieur General findet!« Monsieur General, wer war denn das?
»Der verrückteste Jäger der Gegend!«
»Wer wird denn auf so einen Hund schießen?« Vater konnte sich das beim besten Willen nicht vorstellen. »Der schon! Aber vielleicht haben Sie Glück, Monsieur General ist halb blind, aber er schießt auf alles, was sich bewegt«, erklärte der Bauer.
Die Ruhlands traten mit gemischten Gefühlen den Rückzug an. Das Bewußtsein, daß da draußen irgendwo ein Verrückter Jagd auf ihren Tarzan machte, war nicht gerade beruhigend.
»Falls Sie etwas hören sollten, wir wohnen bei Madame Duffy.« Mehr können wir im Moment leider nicht für dich tun, kleiner Hund, dachte Dora bei sich, der es in diesem Moment schrecklich leid tat, jemals Tarzans Blasenschwäche kritisiert zu haben.
»Hallo, Tobias!« Alain stellte das Motorrad ab, Françoise schulterte die Tasche mit dem Tonband und dem Mikrofon. Wieder nichts, dachte Tobias, dem soeben die einmalige Gelegenheit vermasselt wurde, ein wenig, nun ja, herumzuspionieren.
»Hallo, wo ist deine Schwester?« Françoise rückte ihm mit dem Mikro gefährlich nahe an den Leib. Er wich einen Schritt zurück. »Die ist mit meinen Eltern ins Dorf gefahren, mal fragen, ob Tarzan jemandem zugelaufen ist!« Vergeblich versuchte Tobias, dem Mikrofon auszuweichen.
»Und jetzt ganz was anderes. Sag: Wieviel ist 25 plus 25?«
»Das soll wohl ein Witz sein!? 50 natürlich. Wollt ihr mich veräppeln?« Die beiden Franzosen kicherten verschwörerisch. »Nein, du hast alles gesagt, was wir wissen wollten!« Und mit einem » Salü !« verschwanden die beiden im Haus. Tobias hörte sie noch eine Weile kichern, dann die Kellertreppe knarren. Das tat sie bei jedem Schritt, soweit war er bisher schon vorgedrungen, aber er wurde einfach nicht schlau aus den Leuten hier. Jeder war entweder furchtbar beschäftigt oder schleppte irgendein tolles Geheimnis mit sich herum. Eines war jedenfalls sicher: Ihn wollte man nicht dabeihaben. Na, und wenn schon, dachte Tobias beleidigt, dann eben nicht!
Unten im Keller arbeitete Françoise inzwischen fieberhaft daran, die Tonbänder am Lügendetektor auszuwerten. Sie druckte zuerst das Sonagramm der Aufnahmen aus, die Alain unbemerkt in seinem Versteck am Feldweg gemacht hatte. So, geschafft. Jetzt brauchte sie Tobias nur noch 25 und 25 zusammenzählen lassen, dann
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