Geheimcode F
in die Küche zu schleichen und den Kühlschrank zu plündern. Er vermutete, daß einer der Hunde aus der Höhle seinem Kummer Luft gemacht hatte.
Auch Opa Ruhland wälzte sich nach Tobias’ Abgang ruhelos hin und her, sein Schnarchen wurde unrhythmischer, bis er schließlich aufwachte. »Tobias?« war das erste, was er in die Dunkelheit sagte. Dann ein prüfendes Tasten nach links. Hoppla. Wo war der Junge? »Tobias!« Jetzt hatte Opa wieder alle Sinne beisammen. Er knipste das Licht an und wußte sofort, daß sein Zimmergenosse das Weite gesucht hatte. Und das gefiel ihm gar nicht. »Zuerst ist der Hund weg, jetzt ist das Kind weg«, beklagte er sich, während er in die Hosen schlüpfte. »Verdammt stressig, dieser Urlaub!« Mit diesen Worten warf er die Zimmertür hinter sich zu.
Françoise war soeben von ihrem nächtlichen Kontrollritt aus den Bergen zurückgekommen. Sie wollte ihr Pferd in den Stall führen, ausgiebig duschen und...
»Seht, sei leise!« Alain zog sie hinter eine der Säulen, die am Ende des Hauses das Dach stützten. »He, spinnst du?« Der Schlag konnte einen treffen, der hatte vielleicht Nerven! Sie beruhigte sich augenblicklich. »Reger Verkehr heute abend. Weißt du, wen ich gerade getroffen habe?«
»Tobias?«
»Wieso denn Tobias? Alles dreht sich um Tobias. Nein, seinen Opa und den verrückten Philosophen, mitten auf der finsteren Landstraße«, antwortete Françoise. »Das ist jetzt nicht wichtig«, beeilte sich Alain. »Tobias, unser — ehrlicher — Freund, ist zu unserer Höhle unterwegs. Wir müssen ihn aufhalten!« Françoise verstand nicht gleich. »Wieso, den suchen doch alle...« Alain seufzte schwer vor so viel Naivität. »Das ist ein Trick, er sucht unsere Höhle und will unsere Tiere wegnehmen!«
»Dann sollten wir uns auf den Weg machen, bevor...« Françoise hielt die offene Handfläche nach oben. Erste Tropfen waren zu spüren. »... bevor der große Regen kommt!«
Das heraufziehende Gewitter fegte im Handumdrehen Mond und Sterne vom Himmel, und es herrschte finstere Nacht. Aus der Ferne hörte man dumpfes Grollen, das schnell näher kam. Bedrohlich zuckten Lichter über den Horizont. Dann herrschte für einen Augenblick absolute Stille, kein Lüftchen regte sich. Ein plötzlicher Wind setzte ein, der dicke Wolken vor sich herschob , und die Tropfen, die jetzt viel heftiger auf den Boden fielen, schlugen steile, kleine Krater in die staubtrockene Landstraße. Dann kam der fast tropisch warme Dauerregen, der die Bauern der Gegend zwar glücklich machte, den aber jeder, der um diese Zeit im Freien war, bitter verfluchte. Opa und Gerard, beide auf der Suche nach dem verlorengegangenen Junior, waren binnen weniger Sekunden durchnäßt bis auf die Haut. Und von Tobias keine Spur. Gerard verzog das Gesicht. Aus seiner Hutkrempe tropfte das Wasser. Opa nahm seine Mütze ab, um sie auszuwringen. »Jetzt sagen Sie bloß, es ist Ihnen hier zu naß«, witzelte er und fand die Situation wirklich komisch. Gerard zog Opa am Ärmel in einen Unterstand, der sich zwar als nicht sehr wasserdicht entpuppte, aber doch gemütlicher war als ein ganz ungeschützter Platz. Opa kam auch sogleich die passende Idee: »Und jetzt könnte man das Essen auftragen lassen...«
»Geeiste Tomatensuppe und danach Blinis mit Kaviar«, schwärmte Gerard. Opas Geschmack war das nicht gerade. »Schon eher Kartoffelsuppe mit Bockwurst.«
»Rinderlendchen mit Spargel...« Herr Philosoph, der Feinspitz. »Eisbein mit Kartoffelpüree...« Typisch Opa. So ging das eine Weile hin und her.
»Mir ist trotzdem kalt«, maulte Opa irgendwann in die schönste Dessertfolge. »Aufgestanden!« Gerard folgte dem Kommando freiwillig. »Ja, ganz recht, es ist dies kein Platz des Verweilens, gehen wir, solange wir noch können...« Der Regen hatte nachgelassen, der Boden war jedoch tief und aufgeweicht, so daß man jeden Schritt vorsichtig und langsam setzen mußte. »Hochmut kommt vor dem Fall«, bemerkte Gerard, den Opa im letzten Moment vor einem folgenschweren Absturz retten konnte. »Das war knapp!« Sich gegenseitig haltend und stützend tappten die beiden Männer weiter. An Suchaktivitäten war nicht mehr zu denken.
Der Regen peitschte in Tobias’ Gesicht. Er hatte so kotzgenug von der Gegend und der Sucherei, aber die verzweifelte Hoffnung, Tarzan doch noch zu finden, trieb ihn weiter. Bei jedem Schritt rutschte unter ihm der Boden weg, das Gebüsch zerkratzte seine Hände, und überhaupt hatten sich,
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