Geheimcode F
Sankt-Katharinen-Kraut . Dieses Kraut blüht nur in einer Nacht, da muß man es pflücken und gleich kochen. Ich kenne es aus meiner russischen Heimat«, erklärte die alte Frau und ließ dabei das » Rrrr « besonders rrrollen . »Wir hatten dort ein großes Gut. Meine Eltern wurden während der Revolution vertrieben, wir kamen nach Berlin, später nach Paris. Kennen Sie Rußland ?«
»Eigentlich nicht«, überlegte Opa. »Das heißt, ich war im Krieg da. Mittelabschnitt... Na ja, ins falsche Land zur falschen Zeit geboren. Und wie die meisten Menschen dieser Welt kein Held. Ja, der Satz könnte glatt von mir sein...«
Anastasia hatte ihr Gebräu mit viel Hokuspokus endlich fertiggestellt . »Trinken Sie einen Schluck«, meinte sie aufmunternd. »Sie werden sehen, Sie fühlen sich um Jahre jünger.« Wenn das kein Angebot war! Opa und Gerard kippten den Becher mit dem Kräutertee ohne zu zögern. Die Gräfin kramte in ihren Rocktaschen. »Hier, nehmen Sie noch dieses Fläschchen mit, das Zaubermittel wirkt sieben Stunden lang. Da kann es Tote wieder lebendig machen. So, und jetzt gehen Sie durch die kleine Schlucht dort oben, dann kommen Sie direkt nach Hause!«
»Wo, dort oben?« fragte eine entfernte Stimme, die Tobias sofort als die seines Vaters erkannte. Er setzte sich mit einem Ruck auf. »Bleib liegen, du bist doch verletzt«, sagte Françoise und drückte ihn sanft, aber bestimmt wieder in sein Ruhekissen, das aus ihrer Jacke und einem zusammengeknüllten Pullover Alains bestand. Sie lauschte. »Sind Sie sicher, daß das der Haupteingang ist?« Wieder Vaters Stimme.
»Nein, der Nebeneingang«, antwortete Alain, den die Fragerei langsam nervte. »Sie sagten eben, Sie seien Tierarzt?«
»Ja, und zwar einer, der froh ist, wenn er in den Ferien mal keine Patienten sieht, wieso?«
»Das ist Alain, sie kommen zurück!« jubelte Françoise, der die lange Warterei in der finsteren Höhle wie eine Ewigkeit vorgekommen war. »Ich bin’s, Schwester! Finden Sie den Weg, Monsieur Ruhland?«
»Ja, ja, komme schon, ich bin ja nicht so jung wie du!« maulte Vater. »Hat ein bißchen gedauert, Rica hat sich den Fuß verstaucht, kein Wunder bei dem rutschigen Boden... Wie geht es euch?« Er war bei Tobias angekommen und besah sich das Bein seines Juniors, das glücklicherweise nicht gebrochen war. Er bandagierte es notdürftig und meinte: »Zähne zusammenbeißen, hopp, hilf mir doch bitte, Alain!« Mit vereinten Kräften schleppten die beiden den hinkenden Tobias aus der Höhle.
Vor der Höhle lag Rica noch auf der Trage und unterhielt sich mit ihrer Mutter zum Thema Alain. »Ich finde den nicht übel... und du?« Dora lächelte verständnisvoll: »Ja, ja, aber sobald wir Tarzan wiederhaben, verschwinden wir von hier... Also verlieb dich nicht in ihn!« Dann sah sie ihre Tochter forschend an: »Hast du überhaupt was am Fuß?« Rica konterte mit einem zweideutigen: »Was denkst du denn?«
Die anderen näherten sich. Nur widerwillig räumte Rica beim Anblick ihres verletzten Bruders die ach so bequeme Trage. »Weißt du, was ich glaube?« flüsterte Dora. »Daß du keine schlechte Schauspielerin bist!«
Die Sonne wollte gerade aufgehen, als Opa und Gerard zum Landhaus zurückkamen. Den beiden war so gar nicht nach farbenprächtigem Naturschauspiel zumute, sie wollten einfach ins Bett. Vor dem Haus erwartete sie Madame Duffy mit einem freundlichen »Bon matin , einen wunderschönen Morgen wünsche ich.« Dann sagte sie: »Die anderen sind schon zu Bett gegangen, alle wieder glücklich zu Hause!« Opas Stimmung besserte sich augenblicklich. »Alle wohlauf? Dann gehen wir jetzt auch schlafen, was, Gerard? Nichts wie rein ins kühle Laken und noch eine Mütze erwischen, bevor es richtig hell und heiß wird!«
»Da wäre nur noch eine Kleinigkeit.« Madame Duffy zögerte. »Ihr Schwein hat die Gunst der Stunde genutzt...«
»Was soll das heißen?«
»Es ist abgehauen, weg, futsch, perdu, mein Freund.« Opa stöhnte. »Eine Nacht, die nie zu Ende geht! In welche Richtung ist das gute Tier verschwunden?« Madame Duffy deutete zu den waldigen Hügeln.
» Aja , von dort kommen wir gerade!« Das klang nicht begeistert. »Kommen Sie, lassen Sie uns gehen, damit wir wenigstens zum Frühstück wieder da sind.« Mit der unglaublichen Energie, die nur Nachtschwärmern eigen ist, stapften die beiden Männer Arm in Arm davon. Noch eine ganze Weile war ihr »Heut geh’ ich ins Maxim...« zu hören.
Françoise war sehr
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