Geheimcode F
eigentlich, wie wenig Zeit wir haben?« maulte Miguel, dem das ganze Unternehmen schon zum Himmel stank. »Los, komm, hier entlang!« Juan tastete sich langsam vorwärts. »Hier ist nichts, gar nichts!« — »Dann die andere Seite, los!« Miguel packte Juan am Arm. »Nicht so schnell!« Die letzten Worte erstickten in einem schrillen Schrei. Die beiden taumelten einen Abhang hinunter, über Felsen und Geröll, immer tiefer, mitten ins dunkle Nichts hinein. »Juan! Mein Arm!« Dann wieder lautes Wehgeschrei. »Mein Arm ist gebrochen, Hilfe! Juan! General!« Die Schreie hallten durch die Höhle und wurden von einem unheimlichen Echo wieder und wieder zurückgeworfen. Ganz leise und verstümmelt gelangten ein paar Wortfetzen nach oben, vor den Ausgang der Höhle, wo der General Stellung bezogen hatte. »General!« Da war es wieder. Hoppla, das galt ja ihm! Irgend etwas war schiefgelaufen . »Ich komme!« Der General kannte die Höhle genausowenig wie die anderen, aber er wußte aus Erfahrung, daß Höhlen heimtückisch waren und man sich ihnen besser vorsichtig und Schritt für Schritt näherte. »Komme!« Er lauschte dem Echo, das durch die Wände mehrfach gebrochen nach oben drang. Im Schein seiner Fackel sah die Angelegenheit noch unheimlicher aus. Die Stimmen wurden allmählich lauter.
»Wo sind Sie?«
»Hier unten!«
»Haben Sie was gefunden?«
»Sie Idiot! Uns ist die Fackel ausgegangen, wir sind abgestürzt, und Miguel hat es ganz schön erwischt! Wir werden ein Seil brauchen, rufen Sie unsere Lady an!«
»Ich lasse Ihnen meine Fackel hier. Übrigens: Wir sind in der falschen Höhle...« Falsche Höhle? Und da ließ er sie hier Kopf und Kragen riskieren? »Woher wissen Sie das?«
»Ich habe den Vater der Kinder gesehen«, erklärte der General schon im Weggehen. »Mit Arztkoffer und in schrecklicher Eile. Er ist hier einfach vorbeigelaufen!« Miguel und Juan warfen einander einen mörderischen Blick zu. »Und dafür hab ich mich halb erschlagen«, beklagte sich Miguel, während der andere damit beschäftigt war, das dürftige Fackellicht am Leben zu erhalten.
Dora schlenderte mit Madame Duffy durch die kleine Ortschaft. Sie hatten das Einkaufsprogramm schon hinter sich gebracht, jetzt wollte Dora noch einen Blick in die Boutique werfen, um Rica etwas Nettes zum Geburtstag auszusuchen. Sie wunderte sich, daß sie sofort von der Boutiquebesitzerin erkannt wurde. »Sie sind doch von dieser deutschen Familie?« fragte sie gleich anstelle einer Begrüßung.
»Ja, aber...«
»Die, die den Hund sucht, alles klar!«
Die Erklärung folgte auf dem Fuße: Opa und Vater Ruhland hatten durch ihren Hindernislauf lokale Berühmtheit erlangt, und an der waren natürlich auch alle anderen Familienmitglieder beteiligt. Mit viel Gelächter begannen die Damen, nach einem passenden Kleidungsstück zu suchen.
»Für Sie?«
»Nein, für meine Tochter, sie wird fünfzehn. Etwas Sommerliches, Leichtes...« Die Verkäuferin nickte. »Dieses hier finde ich besonders hübsch.« Dora schüttelte den Kopf: »Darf ruhig ein bißchen raffinierter sein!« Oh, hier war es. Zartes Rosa mit weißen Tupfen und sehr figurbetont. Ein hübsches kleines Fetzchen, das Rica sicher sehr gut stehen würde. Dora warf einen Blick zu Madame Duffy, die zustimmend meinte: »Ist das hübsch! Da müssen wir aber auf Ihre Tochter aufpassen!«
»Gut, ich nehme es.« Das würde die Kleine vielleicht wieder in bessere Stimmung bringen. Zufrieden machten sich die beiden Damen auf den Heimweg.
Rica tastete sich die Wand entlang, es war zappenduster hier in Monsieur le Generals Keller. Und ekelhaft muffig. »Was ist hier los?« Es war ihr nicht ganz geheuer. Alain fand endlich den Lichtschalter.
»Nein!« Rica klammerte sich an Alain und traute ihren Augen nicht. »Das gibt’s doch gar nicht!«
»O doch, wie du siehst. Die ganze Schweinerei in Festbeleuchtung!« Alain schüttelte den Kopf. Daß es Menschen gab, denen ein Tierleben so wenig bedeutete? »Und dann hängt er sich noch seinen Steckbrief auf, dieser Mistkerl!« Die beiden konnten sich gar nicht satt sehen: Überall auf dem Kellerboden Käfige mit Tieren, die verstört und verzweifelt ins grelle Licht blinzelten. Sie waren völlig heruntergekommen, gerade nur mit dem Notwendigsten versorgt. An den Wänden klebten Zeitungsausschnitte, die die Greueltaten des Tierfänger-Generals in allen Details schilderten. »Tierskandal in der Provence«, las Alain fassungslos. »Er fängt sie einfach ein,
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