Geheime Lust
seine Zunge im Zaum zu halten. Manche würden ihr vielleicht raten, sich ein dickeres Fell zuzulegen, aber das würde sie nicht tun. Niemand verdiente es, bei lebendigem Leib gehäutet zu werden, nur weil ein anderer miese Laune hatte. Jeder hatte mal einen schlechten Tag, aber das rechtfertigte noch lange nicht, dass man es an anderen ausließ.
Der Zorn fühlte sich wesentlich besser an als die deprimierte Erschöpfung, die sie am Vorabend empfunden hatte. Mit Zorn konnte sie umgehen. Er bewirkte, dass sie sich stärker und weniger verletzlich fühlte. Verzweiflung und Tränen führten zu nichts.
Gleichzeitig war es eine unumstößliche Tatsache, dass Vertrauen
Zeit
erforderte. Verhielt sie sich Jace gegenüber wirklich fair? Er kannte sie erst so kurz, und Vertrauen musste man sich verdienen. Und inwiefern hatte sie das getan?
Bethany spürte, wie sie eine tiefe Ruhe überkam. Sie konnten eine Lösung finden. Vertrauen entstand nicht automatisch. Manchmal dauerte es Monate, wenn nicht sogar Jahre, um es aufzubauen. Nichts in ihrem Leben oder in ihrer Vergangenheit lud zwingend dazu ein, sofort an sie zu glauben. Aber Jace bemühte sich nach Kräften. Das wusste sie ohne jeden Zweifel.
Ihr Handy klingelte. Bethany nahm es und spähte auf das LCD -Display, insgeheim darauf hoffend, dass es Jace sein würde. Sie runzelte die Stirn, als sie Kadens als Kontakt gespeicherten Namen las.
»Hallo?«
»Miss Willis, hier sprich Kaden. Ich habe versucht, Mr Crestwell zu erreichen, aber er kann momentan nicht ans Telefon kommen. Ich wollte Bescheid sagen, das Mr Kingston in das Apartment zurückgekehrt ist.«
Bethany fuhr mit einem Ruck hoch. »Jack ist dort?«
»Ja, Ma’am. Seit einer halben Stunde.«
Sie warf die Decke beiseite und schwang die Beine über den Bettrand. »Wo sind Sie gerade? Sind Sie noch vor Ort?«
»Ja, Ma’am.«
»Ich bin gleich da. Bitte, bleiben Sie dort. Jace würde es nicht gutheißen, wenn ich mit Jack allein wäre. Aber lassen Sie ihn um Himmels willen nicht gehen, bevor ich eintreffe.«
Kaden zögerte einen kurzen Moment. »Na schön. Ich werde hier warten, aber ich begleite Sie nach oben. Das ist meine Bedingung.«
»Kein Problem«, versicherte sie hastig. »Ich mache mich sofort auf den Weg.«
Bethany beendete das Gespräch und stürzte aus dem Bett, um sich anzuziehen. Sie sah schrecklich mitgenommen aus, aber sie würde sich nicht die Zeit nehmen, um zu duschen und sich in einen vorzeigbaren Zustand zu bringen. Jack würde sich vielleicht nicht lange dort aufhalten. Wer wusste schon, was in seinem Kopf vorging?
Wenige Minuten später fuhr sie nach unten in die Lobby und bat den Pförtner, ihr ein Taxi zu rufen. Sie brauchte eine gute Viertelstunde, bis sie das Apartmenthaus erreichte. Kaden erwartete sie schon vor dem Haupteingang.
»Ist er noch da?«, fragte sie atemlos, während sie zur Tür hetzte.
»Ja. Ich werde mit Ihnen nach oben fahren. Ich habe eine Nachricht bei Mr Crestwells Empfangsdame hinterlassen, aber sie sagte, dass er noch eine ganze Weile in einem Meeting hinter geschlossenen Türen sein werde.«
»Natürlich«, murmelte Bethany, als sie in den Aufzug stiegen. »Er ist heute Morgen sehr beschäftigt.«
Sie benutzte ihren Schlüssel, um sich Zutritt zu der Wohnung zu verschaffen. Kaden blieb dicht an ihrer Seite, als sie eintraten.
»Jack«, flüsterte sie, als sie ihn an der Bar in der Küche entdeckte.
Er riss den Kopf hoch, und seine Augen blitzten vor Überraschung über ihr unerwartetes Auftauchen.
Sie eilte um den Tresen herum und schloss ihn ungestüm in die Arme. »Jack, ich war ja so in Sorge. Wo hast du gesteckt? Warum hast du nicht angerufen? Wieso hast du mich das Schlimmste befürchten lassen?«
Jack schob sie ein Stück von sich weg und grinste sie schief an. Er sah schrecklich aus und war noch blasser und dünner geworden. Er sah fertiger aus als je zuvor. Die dunklen Schatten um seine Augen verrieten, dass er seit einer Ewigkeit nicht geschlafen hatte.
»Ich hatte was zu erledigen, Schatz. Das habe ich dir doch gesagt.«
Eine Welle des Zorns erfasste sie. »Was für ein ausgemachter Schwachsinn! Du hattest eine schöne Wohnung. Jace hat das alles für dich getan. Und dir ist noch nicht mal in den Sinn gekommen, dass ich krank vor Sorge um dich sein könnte?«
Jacks Miene verdüsterte sich. »Er hat das nicht für mich getan, Bethy. Er tat es für dich, und das wissen wir beide.«
»Macht es einen Unterschied, für wen er es getan
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