Geheime Lust
einen langen Moment.
Sie kannte die Bedeutung der knienden Haltung. Des Harrens darauf, dass Jace ins Schlafzimmer kam. Es waren Zeichen ihrer Gefügigkeit. Er bat sie darum, sich ihm zu unterwerfen, ihm zu vertrauen. War sie dazu bereit?
Ihre Gedanken kreisten wieder um jene erste Nacht. Die Nacht, in der sie Sex mit Jace und Ash gehabt hatte. Als Ash ihr in sehr deutlichen Worten die Regeln ihres Beisammenseins zu verstehen gegeben hatte. Beide waren dominante Männer, aber für Jace galt das womöglich noch mehr. Ash wirkte ein wenig relaxter, Jace hingegen sehr … intensiv.
Hatte er die ganze Zeit, die er mit ihr zusammen gewesen war, mit seiner Natur gerungen? Hatte er sein wahres Ich gezügelt, aus Angst, sie in die Flucht zu schlagen?
Ihre Stimmung hellte sich auf. Er hatte sie nicht körperlich diszipliniert. Zwar war er energisch und fordernd gewesen, daran bestand kein Zweifel. Aber es hatte sich alles in einem kontrollierten Rahmen abgespielt, und Bethany hatte den Eindruck, dass die Erfahrung noch sehr viel intensiver wäre, wenn Jace sich nicht zurückhalten würde.
Könnte sie damit umgehen? Damit, dass er jeden Aspekt ihres Lebens kontrollierte? Ihr jede Bewegung im Schlafzimmer und außerhalb diktierte? Wäre das so schlimm?
In mancher Hinsicht gefiel ihr die Idee, jegliche Kontrolle abzugeben. Jemanden zu haben – einen starken, dominanten Mann wie Jace –, der ihr Leben für sie in die Hand nahm und sich um sie kümmerte. Der die Entscheidungen traf. Sie nach Strich und Faden verwöhnte.
Das hatte sie noch nie zuvor gehabt. Sie verzehrte sich danach.
Sie war keine Frau, die nach Unabhängigkeit strebte und sich selbst genug war. Sie war schon seit ihrer Kindheit unabhängig und eigenverantwortlich. Niemand war je für sie da gewesen. Mit Ausnahme von Jack. Und sie hatte ebenso viel für ihn getan wie er für sie.
Einmal im Leben wollte sie jemanden, der sich um sie kümmerte. Nur um sie. Der die Last von ihren Schultern nahm. Entscheidungen traf. Sie wollte einfach nur
leben
. Es genießen, nicht um ihre nächste Mahlzeit oder einen Schlafplatz bangen zu müssen. Sie sehnte sich nach Zärtlichkeit.
Nach … Liebe.
Diese spezielle Erkenntnis ließ ihr den Atem stocken, denn es war gefährlich, sich etwas zu wünschen, das sie womöglich nie haben würde. Jace begehrte sie, das ja. Daran zweifelte sie nicht. Aber für wie lange? Er konnte sie nicht lieben. Er kannte sie kaum und vertraute ihr noch nicht einmal.
Was sie hatten, war rein körperlicher Natur, und sie fühlte sich eindeutig von dem Beschützer in Jace angezogen. Das charakterisierte ihn. Gleichzeitig wusste sie, dass sie, egal, was er sagte, nicht auf einer Stufe mit ihm stand. Es erstreckte sich ein ganzer Ozean zwischen ihnen. Sie waren so verschieden, dass sie sich nicht mit seinem Leben identifizieren konnte und er sich ganz sicher nicht mit ihrem.
Die Hände an den Seiten zu Fäusten geballt, starrte sie wieder auf den Teppichläufer.
Noch ehe ihr ganz bewusst wurde, was sie da tat, sank sie langsam auf die Knie.
Jace stand in der Türöffnung und beobachtete, wie eine Vielzahl von Emotionen über ihr Gesicht flackerte. Es war ihr deutlich anzusehen, dass sie mit ihrer Entscheidung zu kämpfen hatte. Er erkannte Verwirrung und Traurigkeit in ihren Augen. Aber auch Sehnsucht.
Er merkte nicht mal, dass er die Luft anhielt, bis seine Lungen vor Protest zu brennen begannen. Ohne den Blick ein einziges Mal von Bethany zu nehmen, atmete er durch die Nase weiter. Sie hatte keine Ahnung, dass er sie beobachtete. Bestimmt würde sie sich unbehaglich fühlen, wenn sie wüsste, wie deutlich er ihre Verletzbarkeit sehen konnte.
Als sie sich dann hinkniete, krampfte sich seine Brust vor Freude zusammen, bis er keine Luft mehr bekam.
Bethany gab nach. Dabei war ihr die Bedeutung dieser Geste, die er ihr abverlangte, eindeutig bewusst. Jace hatte ihren gesamten Gedankenverlauf in ihren ausdrucksstarken, wunderschönen Augen widergespiegelt gesehen.
Ihm war schwindlig vor Erleichterung.
Natürlich war damit noch nicht alles geklärt, noch nichts in trockenen Tüchern. Ihnen stand noch ein langer Weg bevor, dennoch war dies ein großer Schritt in die richtige Richtung.
Es war ein Anfang.
Er ging auf sie zu, sie hob das Kinn und sah ihm entgegen. Jace wünschte sich nichts mehr, als diesen Ausdruck von Angst und Unsicherheit aus ihren Augen zu vertreiben, doch dafür brauchte es Zeit. Zeit und Geduld. Ihm blieb keine andere
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