Geheime Lust
Augen wurden weit vor Überraschung, während sich heillose Verwirrung in ihrer Miene widerspiegelte. Sie packte einen seiner Arme und krallte die Finger hinein. Jace bezweifelte, dass sie es überhaupt merkte.
Ihre Lippen öffneten sich, und er wartete geduldig, bis sie ihre Gedanken sortiert hatte. Es war ihr anzusehen, dass sie seine Worte zu verdauen versuchte. Dabei war er sich nicht sicher, ob
er
sie schon verdaut hatte. Seinem Herzen Luft zu machen war nichts, was er regelmäßig tat. Beziehungsweise jemals. Jace hatte sich nie zuvor derart verletzlich gefühlt, und es behagte ihm kein bisschen.
Es kam ihm vor, als hätte ihn jemand aufgeschlitzt und jetzt verblutete er vor Bethanys Augen.
»Also, was willst du von mir?«, stammelte sie. »Was willst du wirklich? Was bin ich für dich, Jace? Ein Abenteuer? Eine flüchtige, gefügige Liebschaft? Eine Almosenempfängerin? Bitte versteh, dass auch ich Angst habe. Ich weiß nicht, was du von mir erwartest. Du hast so viel für mich getan, aber ich kann es nicht genießen, weil ich immer nur daran denke, dass es nur umso schwerer für mich wird, in mein altes Leben zurückzufinden, wenn du mich morgen wieder auf die Straße setzt. Ich hätte dich lieber nie kennengelernt und mich nicht auf die Sache zwischen uns eingelassen, als plötzlich wieder vor dem Nichts zu stehen und die Existenz weiterzuführen, die ich bisher hatte. Sie hat den Großteil meines Lebens ausgemacht. Sogar die Jahre, die ich nicht auf der Straße verbracht habe, waren keine glücklichen. Es waren Jahre, in denen ich ums Überleben kämpfte, in denen ich auf das Beste hoffte und es meistens nicht bekam. Aber ich hatte mich mit diesem Leben arrangiert. Es war das einzige, das ich kannte. Bis du mir ein
anderes
Leben gezeigt hast.«
Ihre Stimme brach, und der Schmerz traf Jace mitten in die Brust und schnürte ihm fast die Luft ab. Er wollte sie in seine Arme schließen und ihrer Selbstzerfleischung ein Ende setzen, aber er wusste, dass sie es herauslassen musste. Das mussten sie beide, um eine echte Beziehung aufzubauen.
Tränen stiegen ihr in die Augen, und sie wirkte so verängstigt, dass sich sein Magen zu einem festen Ball verknotete.
»Du hast mir gezeigt, wie die Dinge sein können«, wisperte sie. »Und ich verzehre mich danach, Jace. Ich sollte das nicht tun, sollte nicht einmal davon zu träumen wagen, dass mir etwas so Schönes widerfahren könnte. Und trotzdem wünsche ich es mir. Aber solltest du es mir wieder wegnehmen, sollte das zwischen uns nur ein flüchtiges Abenteuer für dich sein, dann will ich es nicht, denn es wird mich umbringen, in
mein
Leben zurückzukehren.«
Tränen perlten über ihre Wangen, und Jace stellte erschrocken fest, dass seine eigenen Augen brannten, als hätte ihm jemand Sand ins Gesicht geworfen.
»Mir ist bewusst, wie absurd meine Bitte klingen muss. Wir kennen uns erst so kurz. Es ist nicht fair von mir, das von dir zu verlangen, aber ich muss es wissen, weil ich nicht dorthin zurückgehen kann, wo ich herkomme, nachdem ich davon geträumt habe, wie anders die Dinge sein könnten. Davon, wie es sein würde, mit einem Mann wie dir zusammen zu sein. Mit jemandem, der so weit über mir steht, dass ich es noch immer nicht verarbeiten kann. Lüg mich nicht an. Ich muss wissen, ob ich nur das für dich bin: ein Zeitvertreib. Eine neue Herausforderung. Bitte bring mir wenigstens so viel Achtung entgegen, mich gehen zu lassen, falls ich dir nie etwas bedeuten werde.«
Nicht länger imstande, den qualvollen Schmerz in ihrer Stimme zu ertragen, drückte Jace sie an sich und hielt sie so fest, dass er ihr Herz an seiner Brust hämmern fühlte.
»Gott, Bethany. Oh, Baby, ich weiß nicht mal, wo ich anfangen soll.«
»Bei der Wahrheit«, murmelte sie an seinem Hals.
Jace schob sie von sich weg und streichelte fast fieberhaft ihre Arme. Er wollte ihr so viel geben. Trost. Bestätigung. Seine Gedanken formten eine chaotische Wolke in seinem Kopf, aber er musste sie ordnen. Er schuldete ihr die Worte. Die Wahrheit, um die sie gebeten hatte, auch wenn das bedeutete, einen Seelenstriptease vor ihr hinzulegen.
Er holte tief Luft und senkte den Blick zu ihrem Gesicht, inständig darauf hoffend, dass sie die Aufrichtigkeit in seinen Augen erkannte.
»Die Wahrheit ist, dass ich nie zuvor für eine Frau empfunden habe, was ich für dich empfinde. Die Wahrheit ist, dass ich besessen von dir bin. Die Wahrheit ist, dass ich dich auf jede erdenkliche Art besitzen
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