Geheime Macht
Einfassungsmauer, zwischen uns die Pfanne mit den Rippchen. Ascanio starrte auf das Fleisch. So war es richtig. Ich war die Alpha, und selbst dieses Teufelskind hatte gelernt, dass man im Rudel nur essen durfte, wenn man vom Alpha die Erlaubnis dazu erhalten hatte.
Ich riss ein Rippchenstück in zwei Hälften und gab ihm eine. Er nahm sie an und biss hinein, zerriss Fleisch und zerbrach Knochen. Auch ich schlug meine Hyänenzähne in das Fleisch und die weichen Knochen. Der süße Geschmack explodierte in meinem Mund. Hmmm. Essen. Lecker Essen. Riesenhunger.
Wir verputzten zwei Stücke, bevor wir beschlossen, das Tempo ein wenig zu drosseln, um miteinander reden zu können.
»Kann ich dir eine bösche Frage schtellen?«, wollte Ascanio wissen.
Ich überlegte, ihn daran zu erinnern, dass er versprochen hatte, sich anständig zu benehmen. Aber nach dem, was er heute durchgemacht hatte, konnte ich etwas gnädiger mit ihm sein. »Schieß los.«
»Wie kommt esch, dasch du ein Tierabkömmling bischt?«
Er musste diese Frage irgendwann stellen, nicht wahr? Ich saugte an einem Knochen, um Zeit zu gewinnen. Dem Jungen zu sagen, dass ich zu feige war, darüber zu reden, kam nicht infrage. »Nehmen wir zum Beispiel das Atlanta-Rudel. Sieben Clans, nach den jeweiligen Tierarten aufgeteilt. Innerhalb der Clans gibt es klare Hierarchien. Ganz oben stehen die Alphas, dann kommen die Betas, dann die anderen Leute, die von den Alphas mit verschiedenen Aufgaben betraut werden. Die Alphas bilden den Rat, der vom Herrn der Bestien und seiner Gemahlin geführt wird. Für den einzelnen Gestaltwandler gibt es alle möglichen Schutzmaßnahmen. Wenn du ein Problem mit jemandem hast oder jemand dich misshandelt, kannst du damit zu den höherrangigen Rudelmitgliedern bis hinauf zu Curran gehen, und man wird dich fair behandeln. Es mag sein, dass dir ihre Entscheidung nicht gefällt, aber es wird eine gerechte Entscheidung sein.«
Ascanio nickte.
»Jugendlichen wie dir ist es vielleicht nicht klar, aber diese Strukturen sind relativ neu. Curran ist erst seit etwa fünfzehn Jahren an der Macht. Davor war jeder Clan auf sich allein gestellt, und manche, wie der Wolf-Clan oder der Ratten-Clan, waren in kleinere Rudel unterteilt. Und jedes Rudel war nur so gut wie sein Alpha. Wenn der Alpha ein gemeines Arschloch war, konnte man nicht viel dagegen tun.«
Ich reichte ihm ein weiteres Rippchenstück. »Meine Mutter war eine Gestaltwandlerin der ersten Generation. Sie wuchs im Süden von Oklahoma auf einer kleinen Ranch mit ihren Eltern auf. Eines Tages kam ein Bouda-Loup auf die Farm. Er schlachtete die Pferde ab, tötete meinen Großvater und griff meine Mutter und meine Großmutter an. Meine Mutter war damals vierzehn Jahre alt, und sie hatte noch nie zuvor eine Hyäne gesehen, ganz zu schweigen von einem Gestaltwandler. Meine Großmutter tötete den Loup, aber dann wurde sie selbst zum Loup. Meine Mutter versteckte sich im unterirdischen Sturmschutzbunker. Als die Sheriffs endlich auf die Farm kamen, hatte meine Großmutter ein fast zwei Meter tiefes Loch gegraben, um meine Mutter herauszuholen und zu töten. Die Polizisten jagten ihr sofort ein paar Silberkugeln ins Gehirn.«
Ich nahm einen weiteren Bissen von den Rippchen. »Danach war meine Mutter vierzehn Jahre alt, ganz allein und eine Gestaltwandlerin, die überhaupt nichts darüber wusste. Die Sheriffs telefonierten herum und fanden heraus, dass es ein kleines Bouda-Rudel im Osten von Texas gab. Ihr Alpha war ein Weibchen und am Telefon unheimlich nett. Sie bot sogar an, ihnen auf halbem Weg entgegenzukommen, um ihnen das arme Mädchen abzunehmen. Also fuhren sie los und vertrauten Clarissa meine Mutter und die zwanzigtausend Dollar an, die noch von der Lebensversicherung meiner Großeltern übrig waren. Die ganze Jugendfürsorge wurde umgangen, und man brachte sie direkt in ihrem eigenen Volk unter. Die Polizisten dachten, dass es so für alle am besten war.«
Ich ließ meine restlichen Knochen in die Pfanne fallen. »Clarissa war ein sadistisches Miststück. Sie war zwar kein Loup, aber sie war verdammt nahe dran. Sie liebte Folterungen. Das machte sie richtig geil. Ihr eigenes Leben war die Hölle gewesen, also machte sie auch allen anderen das Leben schwer. Sie und ihre zwei Töchter Crystal und Candy führten das Rudel aus zwei Dutzend Boudas an. Meine Mutter war genauso klein wie ich. Am Tag ihrer Ankunft im Rudel prügelte Crystal sie windelweich und urinierte ihr dann ins
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