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Geheime Macht

Geheime Macht

Titel: Geheime Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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wusste, dass es an der Spitze der Nahrungskette stand. Wenn er einen Raum betrat, nahm er ihn in Besitz, und man wusste, dass er seinen Besitzanspruch beweisen würde, falls man in diesem Punkt anderer Ansicht war. Wenn man nach den Blutspritzern auf seinem T-Shirt ging, hatte er etwas in dieser Art heute bereits getan.
    Ich erhob mich. Die Höflichkeit gebot es, der Monarchie Respekt zu erweisen. Wenn man es nicht tat, konnten solche Leute sehr sauer werden.
    Currans dichte blonde Augenbrauen zogen sich zusammen. Wir kamen nicht besonders gut miteinander zurecht, hauptsächlich, weil ich sein Leben komplizierter machte. Ein beträchtlicher Anteil der älteren Gestaltwandler war davon überzeugt, dass Tierabkömmlinge getötet werden mussten, und meine Existenz bedeutete, dass er früher oder später etwas wegen dieses Vorurteils unternehmen musste. Obendrein war ich eine Gestaltwandlerin, die nicht zum Rudel gehörte. Er schaffte es zumeist, diese Tatsache zu ignorieren, wahrscheinlich weil ich Kates beste Freundin war. Allerdings hatte ich den ganzen Tag damit zugebracht, in meiner Tierabkömmlingsgestalt durch die Stadt zu rennen. Jetzt konnte er diesen Aspekt nicht länger ignorieren.
    Kate trat zu ihm und küsste ihn. Er wandte sich ihr zu und konzentrierte sich ganz auf sie, als wären sie in diesem Raum miteinander allein. Das bedeutete es, Partner zu sein. Es gab mir einen leichten Stich. Es hatte eine Zeit gegeben, in der auch ich so etwas gehabt hatte.
    »Einen Moment, ich muss noch den Vampirkopf holen.« Kate ging nach hinten.
    Der Herr der Bestien sah mich an. »Wie ich feststelle, hast du dich entschieden, wer du sein willst.«
    »Ich arbeite daran.«
    »Also sehen wir uns in den nächsten Tagen.«
    Wenn ich nicht innerhalb von drei Tagen bei ihm vorstellig wurde, konnte er das nur als offene Herausforderung interpretieren. Wenn ich zu ihm ging, würde ich meinen Stolz hinunterschlucken und die Erinnerungen an die Folterungen meiner Kindheit vergessen müssen. Und ich musste zu Tante B gehen, eine Bouda und die Frau, der ich eine Ohrfeige verpasst hatte. Die Frau, die zwei Boudas losgeschickt hatte, die mich fertigmachen sollten. Ich würde mich tief verbeugen müssen, um mich dann zu entschuldigen und darum zu bitten, in ihren Clan aufgenommen zu werden.
    Lieber würde ich Dreck fressen.
    »Ich hoffe es«, sagte ich.
    »Im Rudel ist es gar nicht so schlecht, Andrea«, sagte er leise. »Und Loyalität ist etwas Gegenseitiges.«
    »Ich weiß«, sagte ich. »Es … fühlt sich nur so an, als hätte ich versagt.« Wie kam ich darauf, mit dem Herrn der Bestien ein vertrautes Gespräch zu führen? »Ich habe mir sehr große Mühe gegeben, mich in meinem bisherigen Leben einzurichten. Wenn ich mich dem Rudel anschließe, wäre das der letzte Nagel in meinem Sarg.«
    »Du hast lediglich darin versagt, dass du vorgegeben hast, etwas zu sein, das du nicht bist. Und du bist sehr lange damit durchgekommen.« Curran zuckte mit den Schultern. »Im Rudel wird dich niemand für das verurteilen, was du bist oder wessen Tochter du bist. Darauf gebe ich dir mein Wort.«
    Ascanio betrat den Raum und verbeugte sich. Normalerweise wurde er entweder von Kate oder Derek hin und her gefahren. Wir waren nicht bereit, ihm ein eigenes Fahrzeug anzuvertrauen. Heute konnte er das Privileg genießen, sich in Currans Gesellschaft aufzuhalten. Ich beneidete ihn nicht um die Fahrt zurück zur Festung.
    Kate kam mit einem Plastiksack aus der Küche. Sie winkte mir zu, dann verschwanden die drei in der Nacht und schlossen hinter sich die Tür. Der Wagen fuhr davon.
    Ich war allein.
    Ich setzte mich und trank die Hälfte meines Georgia-Peach-Eistees in einem einzigen langen Schluck.
    Um eine Neufassung meines Lebens zu schreiben, musste ich mich all meinen Entscheidungen und den Konsequenzen stellen. Ich konnte abhauen und irgendwo anders ganz von vorn anfangen. Das wäre am leichtesten. Viel leichter, als vor meiner neuen Alpha auf die Knie zu fallen und bei jeder Versammlung des Clans den Anblick Raphaels mit seiner glücklichen Braut ertragen zu müssen.
    Ich lachte über diese Vorstellung. Doch das Lachen klang zu verbittert, sodass ich aufhörte und stattdessen zur Dusche ging. Die Nacht war noch jung. Es war gerade halb sieben. Ich hatte genug Zeit, mich zu säubern und noch einmal mein Beweismaterial durchzugehen.
    Seit meiner Geburt hatte ich gelernt, dass ich zwei Möglichkeiten hatte: Ich konnte kämpfen oder sterben. Aber ich

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