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Geheime Macht

Geheime Macht

Titel: Geheime Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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blonde Tussi an der Seite.
    Ich musste mit dieser Obsession aufhören. Es war, als wäre mein Geist von ihm gefesselt – sobald ich nicht aktiv über den Fall nachdachte, drehten sich meine Gedanken sofort wieder um Raphael. Manchmal plante ich Racheaktionen, manchmal wollte ich nur meinen Kopf gegen die Wand schlagen. Diese Anfälle von Selbstmitleid und Vergeltungsfantasien mussten aufhören.
    Meine Ohren nahmen ferne Schritte wahr. Ich erhob mich. Drei Leute kamen aus dem Korridor, geführt von einer gepflegten Frau in beigefarbenem Geschäftskostüm. Sie trug eine Brille und hatte sich ihr hellbraunes Haar aus dem Gesicht zurückgebunden. Ihr Erscheinungsbild sagte »Chefsekretärin«. Ihr Blick und ihre Haltung »Agentin mit Kampfausbildung«. Ein Mann und eine Frau in schwarzer Kleidung mit Kampfausrüstung und Schlagstöcken folgten ihr. Beide trugen Schusswaffen an der Hüfte.
    »Guten Morgen, Ms Nash«, sagte die Frau in forschem Tonfall. »Mr Anapa lässt sich entschuldigen. Sein voller Terminplan erlaubt es nicht, sich mit Ihnen zu treffen.«
    »Ich ermittle im Auftrag des Rudels in einem Mordfall«, sagte ich. »Ich hätte nur ein paar Fragen an ihn.«
    »Mr Anapa wird noch die ganze Woche sehr beschäftigt sein«, sagte die Frau.
    »Er ist kein Verdächtiger.«
    »Ob Sie ihn verdächtigen oder nicht, ist völlig irrelevant. Sie besitzen keine polizeiliche Verfügungsgewalt mehr. Sie sind als Privatperson hier. Bitte verlassen Sie das Firmengelände.« Sie drehte sich zu mir herum und ging auf Angriffsposition.
    Hätte ich noch den Ausweis des Ordens gehabt, hätte ich dafür gesorgt, dass sie diese Worte bereute. Ich ging im Kopf meine Möglichkeiten durch. Ich konnte die zwei Wachleute ausschalten, aber die falsche Sekretärin würde zu einem Problem werden. Die Art, wie sie die Entfernung zwischen uns maß, machte auf mich den deutlichen Eindruck eines guten Kampftrainings, und ihre frontale Haltung deutete auf Polizeierfahrung hin. Sie war es gewohnt, Schutzwesten zu tragen. Die meisten präsentierten ihre Körperseite, um die Zielfläche zu minimieren. Leute in kugelsicheren Westen neigten dazu, sich von vorn zu zeigen.
    Diese Erfahrung bedeutete auch, dass sie die Regeln kannte und genau wusste, womit ich durchkam und womit nicht. Wenn ich eine Szene machte und zu Anapa hineinstürmte, würde sie Alarm schlagen, und ihre Wachleute würden sich auf mich stürzen wie Wölfe auf ein lahmes Reh. Ich konnte schon die Schlagzeile sehen: »Gestaltwandlerin terrorisiert Geschäftsmann.«
    Ein Teil von mir, die Bouda, wollte es trotzdem tun.
    Ich musste mich zurückziehen. Das war ihr ebenso klar wie mir. »Ich werde wiederkommen«, sagte ich zu ihr.
    »Bringen Sie einen Polizisten mit richterlicher Anordnung mit«, sagte sie.
    Ich hatte die Tür erreicht.
    »Ms Nash!«, rief sie.
    Ich drehte mich um. Die »Chefsekretärin« lächelte. »Diese Lobby ist nicht groß genug für uns beide, Ms Nash.«
    Ich schoss mit dem Zeigefinger auf sie. »Ich werde mir merken, dass Sie das gesagt haben.«
    Draußen war die Wolkendecke aufgebrochen. Ich blinzelte ins Sonnenlicht und drehte mich noch einmal zum Gebäude um. Anapa wollte nicht befragt werden, aber das machte ihn nicht automatisch zu einem Tatverdächtigen. Vielleicht machte ihn das nur zu einem Arschloch. Nur dass ich im Laufe der Jahre Hunderte von Verdächtigen befragt hatte, und seine Reaktion war alles andere als typisch. Wenn man in ein Firmengebäude trat und den Angestellten sagte, dass man in einem Mordfall ermittelte, regte das normalerweise die natürliche Neugier an, und alle versammelten sich, um mehr zu erfahren. Die Leute sind Voyeure, und die meisten von uns lassen sich von morbiden Dingen faszinieren. Wenn man jemandem sagt, dass es um einen Mordfall geht, lautet die nächste Frage in den meisten Fällen: »Wer ist gestorben?« Die Empfangssekretärin von Anapa hatte keine Fragen gestellt. Genauso wenig wie Anapas Ritterin in der beigefarbenen Geschäftsrüstung.
    Die Ritterin schien die Zeit genutzt zu haben, um Erkundigungen über mich einzuziehen und mir die Aussage »Sie besitzen keine polizeiliche Verfügungsgewalt mehr« ins Gesicht schleudern zu können. Es stimmte, dass der Orden mich in den Ruhestand versetzt hatte, aber davor war meine Karriere beispielhaft verlaufen, und in meiner Personalakte deutete nichts darauf hin, dass ich leicht aufgab. Die Frau machte auf mich nicht den Eindruck, dass sie solche Details überlas. Es wäre

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