Geheime Macht
ab.«
»Du brauchst auch keine Mädels.«
Er bedachte mich mit einem gekränkten Blick. »Auch ich habe Bedürfnisse.«
»Ich ebenfalls, und im Moment ist es mein größtes Bedürfnis, dass du mit deiner Arbeit weitermachst und dich um Jamars Kunstsammlung kümmerst. Also los!«
*
Wir hatten drei Stunden in der Bibliothek zugebracht, als die Magie zuschlug und weitere Nachforschungen unmöglich machte. Wir hatten siebenunddreißig Stücke identifiziert. Da auf meiner Inventarliste nur neunundzwanzig Gegenstände verzeichnet waren, blieben mindestens acht Artefakte übrig, deren Verbleib ungeklärt war. Ein Messer aus Kreta, zwei Halsketten der Etrusker, anscheinend eine vorrömische Kultur in Italien, eine Statue mit Katzenkopf aus dem Königreich von Kusch, ein Bronzekopf von Sargon dem Großen, der irgendein König von Akkad war, ein Speer aus der gleichen Kultur und zwei Steintafeln mit antiken hebräischen Inschriften. Nirgendwo gingen Blaulichter und Sirenen los, als wir auf diese Dinge stießen. Ob es mir nun gefiel oder nicht, wir mussten aufhören und uns auf den Heimweg machen.
»Der Mechaniker sagte, er hätte den Scheck von der Frau wiedergefunden, die er abgeschleppt hat«, sagte Ascanio.
»Ja?« Zu ihm wollte ich als Nächstes fahren.
»Ich könnte den Scheck für dich abholen«, bot Ascanio sich an.
Ich musterte ihn misstrauisch. »Versprich mir, dass du dich nicht umbringen lässt.«
»Ich verspreche es.«
»Und wenn sich irgendeine Gefahr nähert, rennst du wie ein verängstigtes Kaninchen davon.«
Er nickte.
»Gut.« Ich gab ihm das Geld. »Töte niemanden, lass dich nicht töten und stell keinen Unsinn an. Nun geh, mein getreuer Lehrling!«
Er grinste und machte sich auf den Weg. Damit wäre er für eine Weile abgelenkt und würde keine Schwierigkeiten verursachen. Hoffte ich zumindest.
Ich starrte auf den toten Computerbildschirm. Heute Abend würde ich zusammen mit Raphael auf Anapas Geburtstagsparty gehen.
Wenn alles gut lief, brachten wir uns nicht gegenseitig um.
Kapitel 8
Raphael war pünktlich. Er war immer pünktlich. Um sieben Uhr schlug ein Steinchen gegen mein Schlafzimmerfenster und prallte mit einem lauten Klicken von den Gitterstäben ab. Ich blickte durch die Scheibe. Raphael stand unten. Er trug einen Smoking.
Als wären wir Schüler, die zum Abschlussball gingen.
Ich nahm meine übergroße Clutch-Handtasche vom Bett und überprüfte ein letztes Mal mein Aussehen im Spiegel. Das böse Kleid war immer noch atemberaubend und krass. Mein blondes Haar schwebte in einer wunderbar unordentlichen Wolke um meinen Kopf. Es hatte eine halbe Stunde gedauert, es zu arrangieren und zu fixieren. Ich hatte meine Augenbrauen in Form gezupft, die Augen mit einer dünnen Linie Eyeliner betont, die Lider mit einer leichten Bronzeschicht bestäubt und das Ganze mit einer doppelten Schicht Mascara perfektioniert. Meine Lippen leuchteten in einem intensiven Rot, das zum Rubinton des Drachenauges passte.
Ich schob mir einen Armreif über das Handgelenk – mit roten Granatsteinen und weißen Saphiren besetzt. Es war das einzige echte Schmuckstück, das ich besaß. Meine Mutter hatte es mir gekauft, als ich an der Ordensakademie meine Prüfungen bestanden hatte. Ich war immer der Meinung gewesen, dass es mir Glück brachte.
Ich musterte die Handtasche, um zu sehen, ob sich der Umriss meiner Ruger SP 101 durch das schwarze Leder abzeichnete. Nein. Alles gut. Solange die Magie regierte, konnte man damit nicht einmal schießen, aber es beruhigte mich, sie bei mir zu haben. Auf ein Messer hatte ich verzichtet. Ich konnte mich darauf verlassen, dass Raphael mehrere mit sich führte.
Wenn ein typisches Weretwas in einen Kampf verwickelt wurde, legte die Natur aus irgendeinem Grund einen Schalter im Kopf um, worauf dem Kämpfer Krallen und Fangzähne wuchsen, damit er seinen Feind zerreißen konnte, statt aus einiger Entfernung auf ihn zu schießen oder ihn mit einem Messer anzugreifen, wie es intelligente Leute taten. Ich hatte es Raphael immer hoch angerechnet, dass er die Ausnahme von dieser Regel darstellte.
Er wartete. Ich konnte es nicht weiter hinauszögern. Ich sah hinreißend genug aus.
Mit einem Schulterzucken verließ ich meine Wohnung auf den zehn Zentimeter hohen schwarzen Pumps. Klack-klack-klack die Treppe hinunter und zur Tür hinaus. Eine abendliche Brise wehte mir entgegen und brachte verschiedenste Gerüche mit. Raphael wartete auf dem Gehweg. Mein Gehirn brauchte eine
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