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Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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habt wie ein Postpaket und mit diesem Ding traktiert habt.
    Also rufen Sie schon an bei Ihrem No-nameSyndikat und lassen Sie sich zu dem Kerl durchstellen, der ja sagt.
    Philip feilscht und versucht dabei seine W ürde zu wahren: In dem unwahrscheinlichen Fall, daß das Syndikat Hajs Offerte in Erwägung zieht, wie wäre es mit einer halben Million Dollar vorab und der Rest, wenn alles unter Dach und Fach ist? Hajs Antwort ist ein weiteres »Fuck off«, gefolgt von »You motherfucker«.
    Tut mir leid, Sie so lange vernachl ässigt zu haben, Brian, mein Lieber. Wie war’s bei Ihnen?
    Sams Einmischung scheint aus einer anderen Welt zu kommen, aber ich nehme sie gelassen.
    Ziemlich ereignislos, Sam. Mit vollem Mund spricht man nicht. M üssen wir nicht bald wieder hoch?
    Doch, geht gleich weiter. Philip folgt nur noch rasch einem Ruf der Natur.
    Die T ür schließt sich, und Haj klackt allein im Zimmer hin und her. Was macht er? Sich im Spiegel anstarren, stelle ich mir vor. Sieht man ihm an, daß er sich für drei Millionen Dollar verkauft hat, zahlbar bis Montag, falls alles klappt? Er fängt an zu summen. Das unterscheidet uns. Ich bin unmusikalisch. Mein Summen ist mir peinlich, selbst wenn ich allein bin. Aber Haj ist musikalisch, und er summt, um sich aufzuheitern. Vielleicht, um uns beide aufzuheitern. Und zum Klang seines Summens schlurft er schwerfällig durchs Zimmer. Er summt unser beider Schmach weg. Und dann singt er, und was er singt, ist anders als alles, was ich ihn bis dahin habe summen oder singen hören: ein Missionsschul-Reimgeklingel, das mir meine tr üben Stunden in der Missions-Sonntagsschule zurückbringt. Wir stehen in Reih und Glied in unseren blauen Uniformen. Wir klatschen in die Hände und stampfen mit den Füßen, kloncklonk, und wir erzählen uns eine erbauliche Geschichte. Diese hier handelt von einem kleinen Mädchen, das dem lieben Gott gelobt hat, ihre Tugend zu verteidigen, komme, wer da wolle. Und zum Lohn hilft er ihr. Sooft sie in Versuchung gerät, langt er vom Himmel herab und führt sie zurück auf den rechten Pfad, klonk. Und als sie in den Tod geht, um nicht in die Fänge ihres bösen Onkels zu geraten, empfängt Gott sie am Himmelstor mit Engelschören. Kloncklonk.
    Philips Glocke l äutet zur nächsten Runde. Haj hört sie. Ich höre sie ebenfalls, ganz fern über die Mikrophone, aber ich lasse es mir vor Spider nicht anmerken. Ich bleibe sitzen, Kopfhörer über den Ohren, eifrig auf meinem Block herumkritzelnd, die Unschuld in Person. Haj klonkt zur Tür, stößt sie auf und singt sich hinaus in den Sonnenschein. Den ganzen Weg den Bogengang entlang bis zur Gästesuite fangen die Mikros seine süßliche Weise über den Sieg der Tugend ein.
     

13
    Bis heute will es mir nicht recht gelingen, all die widerstreitenden Empfindungen zu beschreiben, von denen ich gebeutelt wurde, als ich aus meinem Untergrundverlies auftauchte und mich wieder zu dem kleinen H äufchen von Gläubigen gesellte, das sich zur letzten Sitzung im Spielzimmer einfand. Unten im Keller hatte ich keine Hoffnung mehr für die Menschheit gesehen, aber auf meinem Weg durch den Bogengang redete ich mir ein, im Stand der Gnade zu sein. Ich blickte hinaus auf die Welt und war überzeugt, ein Sommergewitter müßte in meiner Abwesenheit die Luft gereinigt und jedes Blatt, jeden Grashalm in neuen Glanz getaucht haben. Der Pavillon glich einem griechischen Tempel im Licht der Nachmittagssonne. Ich feierte eine wundersame Auferstehung, bildete ich mir ein: Hajs und meine eigene gleichermaßen.
    Mein zweiter Trugschlu ß, um nichts löblicher als der erste, war, daß mein Denkvermögen durch die wiederholten Unterwassereinsätze gelitten hatte, weshalb ich nun überall Gespenster sah: die gesamte Folge von Ereignissen, angefangen mit Hajs Schrei und endend mit seinem schmalzigen Liedlein, war nichts als eine durch Reizüberflutung hervorgerufene Halluzination, unser Audio-Duell auf der Steintreppe ebenso, und gleiches galt für jegliche anderen unguten Phantasien von Zetteln, die von Hand zu Hand gegangen,
    und Bestechungssummen, die ausgehandelt worden waren.
    Und ich hoffte sehr, diese bequeme Theorie verifizieren zu k önnen, als ich mich auf meinen Platz an dem grünbespannten Tisch setzte und die Blicke rasch über die Mitspieler in meinem illusorischen Drama schweifen ließ, beginnend mit Anton, der sich mit einem Stapel ockerfarbener Aktenmappen bewaffnet hatte und diese in dem ihm eigenen zackigen Stil

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