Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
Vom Netzwerk:
meinen Hintern an eurem Feuer. Penelope lebt hier nicht mehr, Salvo. Der Mensch, der hier lebt, ist eine Schein-Penelope.«
    »Paula, bitte. Ich muß gehen.«
    »Die echte Penelope ist eine unsichere, überkompensierende Zicke, die lieber vorprescht, als sich Zweifel zu erlauben. Außerdem ist sie eine Psychopathin, die an Wahnvorstellungen leidet, und meine liebste Freundin. Warum kommst du nicht in meine Inner-Body-Experience-Gruppe? Wir reden viel über Frauen wie Penelope. Vielleicht schaffst du es sogar auf eine höhere Gedankenebene. Was für ein Auftrag ist das?«
    »Im Krankenhaus.«
    »Mit dem Koffer? Wo liegt das Krankenhaus – in Hongkong?«
    »Paula, bitte. Ich hab’s eilig.«
    »Ficken wir erst, und dann fährst du ins Krankenhaus, okay?«
    »Nein. Tut mir leid.«
    »Erst Krankenhaus, dann ficken?« Sie hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben. »Penelope sagt, du bist spitze im Bett.«
    »Danke, aber eher nicht.«
    Sie trat zur Seite, und ich schl üpfte aufatmend an ihr vorbei zur Tür hinaus und die Treppe hinunter. An einem anderen Tag wäre ich wohl baß erstaunt gewesen, wie mühelos unsere hauseigene Lebensberaterin und Schnorrerin zahlloser Flaschen Rioja die Grenze vom Guru zur Nymphomanin überschritten hatte, aber heute nicht.
    * * *
    Schlag sieben nach Tante Imeldas Uhr bezog ich Posten auf einer Parkbank gegen über dem Haupteingang des Krankenhauses, auch wenn diskrete Erkundigungen am Empfang ergeben hatten, daß die Nachtschicht nicht vor acht Uhr dreißig endete. Eine brutalistische moderne Skulptur, die genau in meinem Blickfeld lag, ermöglichte es mir zu sehen, ohne selbst gesehen zu werden. Rechts und links des verglasten Eingangs stand je ein uniformierter Repräsentant einer der immer zahlreicher werdenden britischen Privatmilizen. Zulus und Ovambos, höre ich Maxie stolz sagen. Die besten Kämpfer der Welt. Unter einem Carport im Tiefgeschoß fuhren in steter Folge weiße Krankenwagen vor und entluden ihre Verwundeten. Neben mir auf der Bank lag die Stofftasche, in die ich die Bänder und Blöcke umgepackt hatte. So unsicher, wie mir meine ganze derzeitige Existenz erschien, hatte ich mir den Schulterriemen fest um die Hand geschlungen.
    Ich war überwach und übermüdet zugleich. In der Hochsaison für Selbstmordattentate tiefnachts ein Bett zu finden ist kein Kinderspiel f ür Zebras, die große Koffer hinter sich herziehen. Um so glücklicher schätzte ich mich, als mir ein hilfsbereiter Polizist, nachdem er mich aus dem langsam fahrenden Streifenwagen heraus unter die Lupe genommen hatte, den Weg zu einer Pension in einer Seitenstraße der Kilburn High Road wies, einem flutlichtbeleuchteten Gebäude im Pseudo-Tudorstil, dessen Tür, so der cricketversessene Besitzer Mr. Hakim, jedem offenstand, der sich an die Spielregeln hielt, unabhängig von Uhrzeit oder Hautfarbe. Gegen Barzahlung im voraus – Maxies Dollar, in Pfund umgewechselt – wurde ich stolzer Mieter der Managersuite, eines geräumigen Doppelzimmers im rückwärtigen Teil des Hauses mit Kochnische und einem Erkerfenster, das auf einen handtuchgroßen Gemüsegarten hinausging.
    Inzwischen war es nach drei Uhr morgens, aber welcher Mann, der ausgezogen ist, die Frau seines Lebens zur ückzugewinnen, denkt schon an Schlaf? Kaum hatte Mr. Hakims üppige Gemahlin die Tür hinter sich geschlossen, als ich auch schon mit aufgesetztem Kopfhörer, den Kassettenrecorder in der Hand, im Zimmer auf- und abtigerte. Das S stand tatsächlich für Satellit. Und Philip hatte reichlich Gebrauch davon gemacht. Er redete mit der Stimme, die ermächtigt war, ja zu sagen. Und die Stimme, die da ja sagte, gehörte zu meiner Bestürzung keinem anderen als meinem langjährigen Helden, der Nemesis von Penelopes großer Tageszeitung, Lord Brinkley of the Sands, auch wenn mich sein rechtschaffen empörter Ton noch hoffen ließ. Anfangs schien er regelrecht fassungslos:
    »Das kann nicht Ihr Ernst sein, Philip. Wenn ich es nicht besser wüßte, würde ich jetzt denken, das ist einer von Tabbys Tricks.«
    Und als Philip ihm mitteilt, da ß der Deal andernfalls platzt:
    »So etwas Unmoralisches habe ich im Leben noch nicht gehört. Gilt denn ein Handschlag unter Männern gar nichts mehr? Und er will sich nicht einmal auf eine Anzahlung einlassen, sagen Sie? Er will alles im voraus? Kommt nicht in Frage. Reden Sie ihm das aus.«
    Und als Philip beteuert, da ß sie das schon mit allen erdenklichen Mitteln probiert haben, klingt Brinkley wie die

Weitere Kostenlose Bücher