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Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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sehr fachm ännisch. Sie schwieg, dann lächelte sie traurig. »Wer könnte heutzutage etwas Kreatives über Kivu sagen? Keiner vielleicht. Aber Baptiste sagt, die Wunden beginnen allmählich zu verheilen. Wenn es so weitergeht, wird es im Kongo vielleicht eines Tages Kinder geben, die keinen Krieg kennen. In Kinshasa sprechen sie jetzt sogar ernsthaft von Wahlen, sagt er.«
    »Baptiste?«
    Sie schien mich nicht gleich zu h ören, so vertieft war sie in meine Keilschrift. »Baptiste ist der inoffizielle Vertreter des Mwangaza in London«, sagte sie dann und gab mir den Block zurück.
    W ährend ich noch darüber nachsann, was von der Existenz eines Baptiste in ihrem Leben zu halten war, stieß sie plötzlich einen kleinen Bestürzungsruf aus, den ersten und einzigen, den ich aus ihrem Mund gehört habe. Sie hielt Maxies Umschlag mit den sechstausend Dollar in die Höhe, die ich noch nicht in Pfund umgetauscht hatte, und ihre anklagende Miene sprach Bände.
    »Hannah, das ist nicht gestohlen. Das ist verdient. Von mir. Redlich.«
    »Redlich?«
    »Na ja, auf jeden Fall legal. Das Geld stammt vom …« – fast hätte ich »vom britischen Staat« gesagt, aber Mr. Anderson zuliebe korrigierte ich mich – »von den Auftraggebern, für die ich dieses Wochenende gearbeitet habe.« Ihr notdürftig besänftigtes Mißtrauen flackerte erneut auf, als sie auf dem Kaminsims die Visitenkarten von Brian Sinclair entdeckte. »Brian ist ein Freund von mir«, beteuerte ich halbherzig. »Du kennst ihn übrigens auch. Ich erzähle dir später von ihm.«
    Ich konnte ihr ansehen, da ß sie mir kein Wort glaubte, und setzte schon halb dazu an, ihr die ganze Geschichte zu beichten – Mr. Anderson, die Insel, Philip, Maxie, Anton, Benny, Spider und zehnmal Haj –, aber mit einemmal wirkte sie wie weggetreten, so als hätte sie schon jetzt mehr gehört, als sie in einer Sitzung verkraften konnte. Statt mich mit Fragen zu bestürmen, streckte sich die müde Nachtschwester vollbekleidet auf dem Bett aus und schlief ein, was um so erstaunlicher war, als sie dabei nicht aufhörte zu lächeln. Wie gern wäre ich ihrem Beispiel einfach gefolgt. Ich schloß ebenfalls die Augen – aber wie um alles in der Welt sollte ich ihr erklären, daß ich unfreiwillig zum Komplizen bei einem bewaffneten Coup gegen ihr Land geworden war? Baptiste, wiederholte ich bei mir. Damit, daß sich ihre Begeisterung für den Mwangaza auch auf die Mitglieder seiner Organisation erstrecken könnte, hatte ich nicht gerechnet. Aber dann muß mir bei aller Überreiztheit doch die Natur zu Hilfe ge kommen sein, denn als ich die Augen wieder aufschlug, trug ich immer noch Jeans und T-Shirt, und Hannah lag nackt in meinen Armen.
    * * *
    Ich bin kein Freund des Expliziten, genausowenig wie es Pater Michael war. Akte der Liebe waren f ür ihn etwas ebenso Persönliches wie Gebete, und man sprach über das eine so wenig wie über das andere. Ich will darum nicht länger bei der Ekstase unserer körperlichen Vereinigung verweilen, die wir im hellen Licht der Morgensonne zelebrierten, das durch das Erkerfenster auf Mrs. Hakims bunte Tagesdecke fiel. Hannah ist ein Mensch, der zuhören kann. So etwas war ich nicht gewohnt. In meiner ängstlichen Anspannung hatte ich eine sarkastische oder sogar ungläubige Reaktion von ihr befürchtet. Aber das war Penelopes Art, nicht Hannahs. Zwar liefen ihr, etwa als ich ihr ihre Illusionen über den Mwangaza nehmen mußte, ein paar Tränen über die Wangen und tropften auf den himmelblauen Kopfkissenbezug, doch ihre Anteilnahme und ihr Verständnis für mein Dilemma ließen sie nicht eine Sekunde im Stich. Vor zwei Tagen hatte ich über das Feingefühl gestaunt, mit dem sie einem Mann beigebracht hatte, daß er sterben würde, und ich tat mein Bestes, es mir zum Vorbild zu nehmen, aber mir mangelte sowohl an Geschick als auch an der nötigen Selbstbeherrschung. Schon nach den ersten Worten überwältigte mich der Drang, ihr alles auf einmal zu erzählen. Das Geständnis, daß ich, wenn auch nur aushilfsweise, ein indoktrinierter Mitarbeiter des allm ächtigen britischen Geheimdienstes war, verschlug ihr den Atem.
    »Und du bist diesen Leuten treu ergeben, Salvo?«
    Ich sprach englisch, sie ebenfalls.
    »Darum habe ich mich immer bemüht, Hannah. Und das werde ich auch in Zukunft so halten«, antwortete ich, und sogar dafür zeigte sie Verständnis.
    An mich geschmiegt wie ein schl äfriges Kind, lauschte sie gebannt meiner wundersamen Reise von

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