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Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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hielt vor dem Café mit kreischenden Bremsen ein malvenfarbener BMW an, aus dessen offenen Fenstern Rap-Musik dr öhnte. Der Fahrer trug eine dunkle Brille und einen Spitzbart wie Dieudonné. Der stämmige Afrikaner auf dem Beifahrersitz erinnerte mich an Franco. Wir sprangen hinein, der Fahrer gab Gas. In rasanter Fahrt ging es auf einem wilden Zickzackkurs nach Süden, ohne Rücksicht auf Ampeln oder Busspuren. Wir ruckelten über eine von Schlaglöchern durchsetzte Industriebrache mit Reifendeponien und mußten scharf einem Rollstuhl ausweichen, in dem drei johlende Jugendliche aus einer Einmündung geschossen kamen, einer über den anderen gestapelt, die Arme ausgebreitet wie die Akrobaten. Dann hielten wir, und der Fahrer brüllte: »Jetzt!« Der BMW wendete zackig und raste davon. Wir standen in einer stinkenden, kopfsteingepflasterten Gasse. Aus dem orangeroten Nachthimmel über den viktorianischen Kaminen lugten riesige Kräne auf uns herab wie Giraffen. Zwei Afrikaner kamen uns entgegengeschlendert. Der größere trug einen seidenen Gehrock und war über und über mit Gold behangen.
    »Ist das der Typ ohne Namen?« fragte er Hannah auf Kongo-Swahili.
    Du sprichst nur Englisch, Salvo , hatte sie mir eingesch ärft. Wer unsere Sprache spricht, für den interessiert man sich zu sehr. Dafür hatte sie sich überreden lassen, daß wir für die Dauer der Unterredung nur Freunde und kein Liebespaar darstellen wollten. Daß sie überhaupt in diese Geschichte hineingeraten war, war meine Schuld. Ich wollte sie unter keinen Umständen noch tiefer darin verstricken.
    »Was ist in der Tasche da?« fragte der kleinere der Männer, ebenfalls auf Swahili.
    »Das ist für Baptiste persönlich«, gab Hannah zurück.
    Der Gro ße kam auf mich zu und tastete mit schlanken Fingern die Umhängetasche ab, ohne sie jedoch zu öffnen. Mit seinem Kollegen als Nachhut gingen wir hinter ihm eine steinerne Treppe hinauf in das Haus, wo uns ebenfalls Rap-Musik entgegenschlug. In einem neonhellen Café saßen ältere Afrikaner mit Hüten vor einem riesigen Plasmabildschirm, auf dem sich eine kongolesische Band die Seele aus dem Leib spielte. Die Männer tranken Bier, die Frauen Saft. An ein paar anderen Tischen steckten Jugendliche in Kapuzenshirts die Köpfe zusammen. Über eine weitere Treppe gelangten wir in einen Salon mit Chintzsofas, einer Velourstapete und Läufern aus synthetischem Leopardenfell. An der Wand hing die Photographie einer afrikanischen Familie im Sonntagsstaat. Mutter und Vater standen in der Mitte, ihre sieben Kinder, aufgereiht wie die Orgelpfeifen, rechts und links von ihnen. Hannah nahm auf dem Sofa Platz, ich auf einem Stuhl gegenüber. Der große Mann blieb in der Tür stehen und klopfte mit dem Fuß den Rhythmus der Musik mit, die aus dem Café heraufdrang.
    »Wollen Sie was trinken? Cola oder was?«
    Ich sch üttelte den Kopf.
    »Und was ist mit ihr?«
    Drau ßen auf der Straße hielt leise ein Wagen. Eine Tür ging auf und fiel mit sattem Schmatzen wieder ins Schloß. Schritte auf der Treppe. Baptiste war ein Haj ohne dessen Eleganz. Er war schlank, hohlwangig, langgliedrig und von Kopf bis Fuß in Designerware ge kleidet: Ray-Ban-Sonnenbrille, Wildlederjacke, goldene Halsketten, dazu Texasstiefel, die mit Cowboyh üten bestickt waren. Etwas Unwirkliches umgab ihn, als wären nicht nur seine Sachen, sondern auch der Körper, der darin steckte, neu gekauft. Am rechten Handgelenk trug er eine goldene Rolex. Als Hannah ihn sah, sprang sie freudig auf und rief seinen Namen. Ohne zu antworten, zog er die Jacke aus, warf sie über einen Stuhl und murmelte unserem Führer »Abgang« zu, woraufhin sich dieser nach unten trollte. Dann stellte er sich breitbeinig und mit vorgerecktem Becken hin und streckte Hannah beide Hände entgegen, auf daß sie ihn umarme. Was sie nach kurzem Stutzen auch tat – nur um anschließend in Gelächter auszubrechen.
    »Was hat Amerika denn mit dir gemacht, Baptiste?« rief sie auf Englisch, wie vereinbart. »Du bist ja so« – sie suchte nach dem richtigen Wort –, »so reich geworden!«
    Statt einer Antwort k üßte er sie, und zwar auf eine übertrieben besitzergreifende Art, wie ich fand, linke Wange, rechte Wange und ein zweites Mal die linke, wobei er mich über ihre Schulter hinweg taxierte.
    * * *
    Hannah hatte ihren Platz auf dem Sofa wieder eingenommen. Ich sa ß ihr gegenüber auf dem Stuhl, die Umhängetasche neben mir. Baptiste, der Entspannteste von uns allen, fläzte

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