Geheime Melodie
Menschen in Kivu bliebe nichts übrig, kein müder Dollar.«
Nicht die leiseste Kopfbewegung, nicht die kleinste Richtungs änderung der Ray-Ban.
»Das Volk wird geprellt. Aufs Kreuz gelegt, wie üb lich «, ereiferte ich mich. Langsam hatte ich das Gefühl, nur noch mit mir selbst zu reden. »Die älteste Geschichte der Welt. Reine Abzockerei.« Meine Trumpfkarte hatte ich mir bis zuletzt aufgespart. »Und Kinshasa ist in die Pläne eingeweiht. Kinshasa drückt ein Auge zu, solange es selbst einen Schnitt machen kann, und das heißt in diesem Fall, daß es den Volksanteil einstreicht. Und zwar den gesamten.«
Über uns schrie ein Kind und wurde getröstet. Hannah lächelte versonnen, doch ihr Lächeln galt dem Kind, nicht mir. Baptistes Augenbalken übte eine zunehmend lähmende Wirkung auf meine erzählerischen Fähigkeiten aus.
»Und wann soll sich das abgespielt haben?«
»Wann ich mit meinem Bekannten gesprochen habe?«
»Das Treffen auf der verfluchten Insel, Mann. Wann war das?«
»Wie ich sagte: kürzlich.«
»Kürzlich kenne ich nicht. Kürzlich wie? Kürzlich wann?«
Im Zweifelsfall m öglichst dicht bei der Wahrheit bleiben. »Innerhalb der letzten Woche«, antwortete ich.
»War er bei dem Treffen dabei, dieser namenlose Bekannte? Hat er mit denen auf der Insel gehockt und sich angehört, wie sie den Deal ausgeheckt haben?«
»Er hat die Unterlagen gelesen. Die Berichte. Wie ich schon sagte.«
»Er hat die Unterlagen gelesen, er dachte sich, heilige Scheiße, und dann ist er zu Ihnen gelaufen?«
»Ja.«
» Warum?«
»Er hat ein Gewissen. Er hat das ganze Ausmaß des Betrugs erkannt. Er liebt den Kongo. Er hat etwas dagegen, daß Leute aus Profitgier in fremden Ländern Kriege anzetteln. Reicht das nicht als Grund?«
Anscheinend reichte es nicht.
»Aber wieso ausgerechnet zu Ihnen, Mann? Ist er einer von diesen liberalen Negerfreunden, die keine echten Schwarzen kennen und für die einer wie Sie schon das höchste der Gefühle ist?«
»Er ist zu mir gekommen, weil ihm etwas an Afrika liegt. Das muß Ihnen genügen. Ich kenne ihn schon lange, woher, brauchen Sie nicht zu wissen. Er wußte, daß ich Beziehungen zum Kongo habe und das Herz am rechten Fleck.«
»Scheiße, Mann. Du willst mich wohl verarschen.«
Baptiste sprang auf und marschierte im Zimmer auf und ab, die Texasstiefel leicht schlitternd auf dem dicken goldfarbenen Teppich. Nachdem er den Raum ein paarmal durchquert hatte, blieb er vor Hannah stehen.
»Vielleicht glaube ich dem Schwachkopf da«, sagte er zu ihr, mit einem Kopfnicken in meine Richtung. »Vielleicht glaube ich auch nur, daß ich ihm glaube. Vielleicht war es richtig von dir, ihn zu mir zu bringen. Er ist nicht zufälligerweise Halbruander? Ich glaube, er ist Halbruander. Ja, das muß die Erklärung sein.«
»Baptiste«, flüsterte Hannah, aber er ignorierte sie.
»Okay, du brauchst nicht zu antworten. Halten wir uns an die Fakten. Als da wären: Dein Freund hier vögelt mit dir, richtig? Der Freund von deinem Freund wei ß, daß er mit dir vögelt, und er kommt deshalb zu ihm gelaufen. Und er erzählt deinem Freund eine Geschichte, die dir dein Freund schleunigst weitererzählt, weil er mit dir vögelt. Du bist zu Recht empört über die Geschichte und bringst deinen Freund, der mit dir vögelt, zu mir, damit er sie mir auch erzählen kann, worauf der Freund deines Freundes von Anfang an spekuliert hat. So etwas nennen wir Desinformation. Darin sind die Ruander äußerst geschickt. Sie haben eigens Leute, die nichts anderes tun, als falsche Informationen zu streuen. Soll ich dir erklären, wie so was läuft? Okay?«
Noch immer vor Hannah aufgebaut, schaut er mit seinen verdunkelten Augen zwischen uns hin und her.
»Es läuft folgendermaßen: Ein großer Mann – ein wahrhaft großer Mann, und damit meine ich den Mwangaza – bringt den Menschen meines Landes Hoffnung. Frieden, Wohlstand, Eintracht, Einheit. Aber dieser große Mann ist kein Freund der Ruander. Er weiß, daß er seine Vision nicht verwirklichen kann, solange die Ruander ihre verfluchten Kriege auf unserem Land austragen, unsere Wirtschaft und unsere Menschen kolonisieren und Killertrupps schicken, um uns auszurotten. Deshalb haßt er die Schweine. Und sie hassen ihn. Und sie hassen mich. Weißt du, wie oft diese Scheißkerle schon versucht haben, mich auszuschalten? Und jetzt wollen sie dem Mwangaza ans Leder. Und wie?
Indem sie in seinem Lager eine L üge in Umlauf bringen. Und wie lautet
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