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Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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getreu den strengen Agentenregeln, die ich mir nach dem Einbruch in die Norfolk Mansions auferlegt habe, erst einmal eine Meile von Mr. Hakims Haus entfernen. Ich gehe durch eine von Bäumen gesäumte Straße bis zu einem leeren Buswarteh äuschen. Ich lasse mir Zeit, viel Zeit. Ich setze mich auf eine einsame Bank und schalte das Handy ein. Ich habe nur eine Nachricht, und zwar von Barney, Mr. Andersons feschem Adjutanten und hauseigenem Chatroom-Casanova. Von seinem Adlerhorst auf der Galerie genießt Barney freien Blick in jede Hörkabine und in jedes lohnende Dekolleté. Sein Anruf bei mir ist Routine. Überraschend wäre, wenn er nicht angerufen hätte, aber er hat. Ich höre mir die Nachricht zweimal an.
    Hallo, Salv. Wo zum Geier stecken Sie? Ich hab ’s schon in Battersea probiert, aber da hab ich von Penelope ganz schön was zu hören bekommen. Wir hätten den üblichen Schrott für Sie – was eben so anfällt. Nichts Weltbewegendes, aber trotzdem. Melden Sie sich einfach so bald wie möglich, und geben Sie Laut, wann Sie bei uns reinschauen können, okay? Also dann, tschüs.
    Mit seiner ach so unschuldigen Nachricht hat Barney mich zutiefst mi ßtrauisch gemacht. Cool war er immer schon, aber heute morgen ist er so megacool, daß ich ihm kein Wort abkaufe. So bald wie möglich. Warum so eilig, wenn es doch nur um den üblichen Schrott geht? Oder soll er mich, wie ich vermute, in den Chatroom locken, wo Philip und seine Spießgesellen schon auf mich warten, um mir die gleiche Behandlung angedeihen zu lassen wie Haj?
    Ich gehe weiter, energischeren Schrittes nun pl ötzlich. Der Drang, mich nach dem Brinkley-Debakel zu rehabilitieren und meine Scharte bei Hannah auszuwetzen, brennt in mir wie zuvor. Doch aus dem tief sten Dunkel der Erniedrigung trifft mich ein Strahl der Erleuchtung.
    Hat Hannah mir nicht selbst geraten, lieber zu Mr. Anderson als zu Seiner Lordschaft zu gehen? Und genau das werde ich tun! Ich werde mich mit ihm treffen, aber zu meinen Bedingungen, nicht zu Andersons und auch nicht zu Barneys. Die Entscheidung über Zeit und Ort liegt bei mir, nicht bei ihnen, genau wie die Wahl der Waffen. Und erst wenn jedes Detail stimmt, werde ich Hannah in meinen Plan einweihen.
    Doch zuerst die praktische Seite angepackt. Weil ich Kleingeld brauche, kaufe ich in einem Supermarkt einen Guardian. Ich suche mir eine freistehende Telefonzelle. Sie hat Scheiben aus geh ärtetem Glas, die dem Anrufer einen Rundumblick gewähren, und der Apparat nimmt Münzen an. Ich stelle mir die Umhängetasche zwischen die Füße. Ich räuspere mich, lockere meine verspannten Schultern und rufe, wie gewünscht, Barney zurück.
    »Salv! Na, meine Nachricht gekriegt? Super! Wie wär’s, wenn Sie heute nachmittag eine Schicht einlegen und wir hinterher noch auf ein Bier gehen?«
    Barney hat mich in seinem ganzen Leben noch nie auf ein Bier eingeladen, weder vor- noch hinterher, aber das lasse ich unkommentiert. Ich bin genauso cool wie er.
    »Heute ist es bei mir ein bißchen schwierig, Barnes. Komplizierter juristischer Kram. Stinklangweilig, aber lukrativ. Ich könnte Sie morgen einschieben, wenn das okay wäre. Am liebsten etwas später, so zwischen vier und acht.«
    Ich klopfe auf den Busch, wie mein genialer Plan es verlangt. Barney versucht, mich auszuhorchen, ich versuche, ihn auszuhorchen. Nur habe ich den Vorteil, da ß ich Bescheid weiß und er nicht. Diesmal dauert es ein wenig länger, bis er antwortet. Vielleicht steht jemand neben ihm.
    »Und wieso nicht heute, verdammt?« raunzt er. Schon ist es wieder vorbei mit dem Schmusekurs, der noch nie seine Stärke war. »Wimmeln Sie die Typen ab. Ein paar Stunden hin oder her können denen doch scheißegal sein. Wir haben schließlich die älteren Rechte an Ihnen, dafür bezahlen wir Sie. Und wo treiben Sie sich überhaupt rum?«
    Er wei ß ganz genau, wo ich bin. Er hat meinen Standort vor sich auf dem Bildschirm, wieso fragt er also? Will er Zeit schinden, während er sich beraten läßt?
    »In einer Telefonzelle«, lamentiere ich fröhlich. »Mein Handy spinnt mal wieder.«
    Erneut l äßt er mich warten. Barney in Zeitlupe.
    »Okay, nehmen Sie sich ein Taxi. Können Sie auf die Spesenrechnung setzen. Der Boß will Sie an sein Herz drücken. Behauptet, Sie hätten übers Wochenende die Nation gerettet, sagt aber nicht, wie.«
    Mein Herz macht einen doppelten Salto. Barney spielt mir genau in die H ände! Aber ich bleibe gelassen. Ich bin nicht impulsiv. Mr.

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