Geheime Melodie
diese Lüge? Du hast sie gerade gehört. Von deinem Freund, mit dem du vögelst. Der Mwangaza hat sich an die Wei ßen verkauft. Der Mwangaza hat unser Geburtsrecht an die Profitgeier in Kinshasa verhökert! «
Er dreht sich von Hannah weg und stellt sich vor mich hin. Er mu ß lauter sprechen, um die Rap-Musik, die durch den goldfarbenen Teppich heraufdröhnt, zu übertönen.
»Ist Ihnen klar, daß in Kivu schon ein kleines Streichholz ausreicht, um die ganze Region in Flammen aufgehen zu lassen? Haben Sie davon schon mal was läuten hören, rein zufälligerweise?«
Ich mu ß genickt haben, ja, das weiß ich.
»Dieses Streichholz sind Sie, Mann, selbst wenn Sie es nicht wollen, selbst wenn Sie tatsächlich nur die besten Absichten haben. Und die ungenannte Person, dieser Bekannte von Ihnen, der den Kongo so liebt und ihn vor den weißen Eindringlingen beschützen will, der ist eine ruandische Schmeißfliege, sonst nichts. Und glauben Sie ja nicht, daß er die einzige ist. Denn haargenau die gleiche Geschichte trägt man uns von ungefähr zwanzig verschiedenen Seiten zu. Alle wollen sie uns weismachen, der Mwangaza wäre der Antichrist in Person. Spielen Sie vielleicht Golf? Das edle Spiel auf dem grünen Rasen? Sind Sie ein verdammter Golfer, Sir?«
Ich sch üttelte den Kopf.
»Kein Golf«, murmelte Hannah für mich.
»Dieses grandiose Treffen soll irgendwann letzte Woche stattgefunden haben, sagen Sie?«
Ich nickte, ja, richtig.
»Wollen Sie wissen, wo der Mwangaza letzte Woche war? Jeden Tag, ausnahmslos, jeden verdammten Vormittag, jeden verdammten Nachmittag? Da brauchen Sie nur seine Platzgeb ühren zu überprüfen. In Marbella, Südspanien, um sich beim Golfspielen zu erholen, bevor er in den Kongo zurückkehrt und seinen heldenhaften Feldzug für eine friedliche Machtübernahme fortsetzt. Wissen Sie, wo ich die letzte Woche gewesen bin, geschlagene sieben Tage lang, bis gestern? Da brauchen Sie bloß meine Platzgebühren zu überprüfen. In Marbella beim Golfspielen, mit dem Mwangaza und seinen Getreuen. Vielleicht – und das soll bloß ein Vorschlag sein – könnten Sie Ihrem Freund von mir ausrichten, daß er sich seine Insel in den Arsch schieben kann und seine dreckigen Lügen gleich hinterher.«
Und die ganze Zeit, w ährend er sprach, funkelte mich seine Rolex mit dem Achtzehn-Karat-Armband und den Mondphasen an. Je mehr er sich in Rage redete, desto protziger und provozierender funkelte sie.
»Wollt ihr irgendwohin, soll ich euch fahren lassen? Braucht ihr ein Taxi?« fragte er Hannah auf Swahili.
»Nicht nötig«, sagte Hannah.
»Hat der Mann, mit dem du vögelst, da was in seiner Tasche, was er mir geben will? Verleumderische Schriften? Koks?«
»Nein.«
»Wenn du mal die Schnauze voll von ihm hast, sag mir Bescheid.«
Ich folgte ihr die Treppe hinunter, durch das Caf é, hinaus auf die Straße. Vor dem Haus parkte ein neuer schwarzer Mercedes in zweiter Reihe, der Fahrer hin term Lenkrad. Durch das R ückfenster starrte eine junge Schwarze in tiefausgeschnittenem Kleid und weißer Pelzstola mit angstgeweiteten Augen zu uns heraus.
17
Hannah war keine Frau, die leicht weinte. Und nun kauerte sie da auf der Kante von Mrs. Hakims Bett, um ein Uhr nachts, in ihrem Missionssch ülerinnennachthemd, die Hände vors Gesicht geschlagen, so daß ihr die Tränen zwischen den Fingern hervorquollen, und ich wußte nicht aus noch ein vor Mitleid.
»Wir können nichts tun, um uns zu retten, Salvo«, erklärte sie schluchzend, als ich sie zumindest überredet hatte, den Kopf zu heben. »Wir haben so einen wunderbaren Traum. Frieden. Einheit. Fortschritt. Aber wir sind Kongolesen. Wenn wir einen Traum haben, müssen wir immer wieder bei Null anfangen. Für uns kommt nie ein neuer Tag.«
Nachdem ich sie nach besten Kr äften getröstet hatte, machte ich uns Rührei, Toast und eine Kanne Tee und schwatzte dabei über dies und das. Was ich dabei lieber für mich behielt, waren gewisse Telefonate, die ich geführt, und ein gewisses Geheimdokument mit dem Titel J’accuse!, das ich hinter dem Kleiderschrank versteckt hatte – Gegenvorschläge gleich welcher Art, so fürchtete ich, würden ihren Kummer nur schlimmer machen. Bis sie nach Bognor fuhr, waren es nur noch kurze zwölf Stunden. Viel besser, ich wartete mit meiner Eröffnung bis nach ihrer Rückkehr, denn bis dahin würde ich meinen Plan in die Tat umgesetzt haben, und alle unsere Probleme wären gelöst. Doch als ich vorschlug, wir
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