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Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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mir zu borgen für einen heimlichen kleinen Anruf bei Hannah? Und jemand, vermutlich Philip, muß gerade einen Witz gemacht haben, möglicherweise einen schlüpfrigen, denn alle vier brechen sie in Gelächter aus, das den Hügel hinab bis ins Spielzimmer schallt, wo die T üren der Hitze wegen weit offenstehen. Aber das beeindruckt mich nur mäßig, denn meine Erfahrung von klein auf ist es, daß die Kongolesen, denen Höflichkeit über alles geht, nicht immer aus den richtigen Gründen lachen, und Mai-Mai-Krieger schon gar nicht.
    Und als alle sich von ihrer Heiterkeit erholt haben, r ückt die Prozession in Richtung der breiten Steintreppe vor, wo unter Philips gestenreichem Zureden Franco, der humpelnde Mai-Mai-Riese, seinen Arm um den Hals des zarten Dieudonné schlingt und ihn, Erzfeind hin oder her, zu seinem Krückstock befördert, aber mit solch impulsiver Herzlichkeit, daß mir ein glücklicher Ausgang unseres Wagnisses plötzlich nicht mehr so ausgeschlossen scheint. Und so vereint beginnen sie den Abstieg, vorneweg Philip, dann das zusammengeschweißte Paar und als letzter, hinter den anderen herschlendernd, Haj. Und der Nordmeerhimmel über ihnen war eisblau, auch das weiß ich noch, und der dicke Mai-Mai-Kriegsherr mit seinem zerbrechlichen Gehstock unterm Arm wurde den Hügel hinabeskortiert von einer Wolke winziger Vögel, die beim Fliegen Luftsprünge vollführten. Und als Haj in den Schatten trat, wurde auch das Geheimnis seiner Jackettinnentasche enthüllt: Er war stolzer Besitzer einer Batterie von Parker-Füllern.
    Was als n ächstes geschah, war eine dieser Pannen, die auf keiner anständigen Konferenz fehlen dürfen. Es war ein Begrüßungsdefilee geplant. Anton hatte uns vorher genau instruiert. Philip würde mit seinem Dreiertrupp von der Gartenseite hereinmarschiert kommen, Maxie w ürde im gleichen Augenblick von der Hausseite her mit dem Troß des Mwangaza Einzug halten, ein raffiniert eingefädelter Auftakt für das große historische Aufeinandertreffen der Parteien bei unserer Konferenz. Wir übrigen würden uns aufreihen und uns die Hände schütteln lassen oder auch nicht, je nachdem, wonach unseren Gästen gerade zumute war.
    Statt dessen: ein Rohrkrepierer. Ob nun Maxie und die Seinen ihre Hausbesichtigung eine Spur versp ätet beendeten oder Philip und die Delegierten ihre Tour zu flott absolviert hatten, vielleicht, weil der alte Franco mit Dieudonnés knöchrigem Gestell als Gehhilfe ein schnelleres Tempo vorgelegt hatte als geahnt: hinaus lief es aufs Gleiche. Philip und Gefolge rauschten herein, gehüllt in die süßen Gerüche meiner afrikanischen Kindheit, und die einzigen, die zu ihrer Begrüßung bereitstanden, waren ein Spitzendolmetscher, der seine kleinen Sprachen verleugnen mußte, ein französischer Provinznotar und der pferdegeschwänzte Riese Benny – wobei letzterem ein Blick genügte, und schon war er zur Tür hinaus, um Anton zu alarmieren.
    Bei jeder gew öhnlichen Konferenz wäre nun ich in die Bresche gesprungen, denn ein Spitzendolmetscher muß auch Diplomat sein können, wenn Not am Mann ist, was öfter passiert, als man denkt. Aber das hier war Philips Operation. Und Philips Augen, die bezwingend aus den faltenlosen Polstern seines fleischigen Gesichts hervorblitzten, hatten die Lage im Nu erfaßt. Beide Zeigefinger in die Höhe gereckt in simultanem Entzücken, rief er Ah parfait, vous voilà! und zog schwungvoll seinen Panamahut vor mir, wobei er einen dichten Schopf wei ßen Haupthaars enthüllte, schön gewellt und über den Ohren zu zwei Hörnchen gezwirbelt.
    »Gestatten Sie mir, mich vorzustellen!« erklärte er in geschliffenstem Pariser Französisch. »Ich bin Philippe, Agrarberater und unverbesserlicher Freund des Kongo. Und Sie, Monsieur, sind …?« Der wohlfrisierte weiße Kopf neigte sich mir entgegen, als hörte er nur auf einem Ohr.
    »Mein Name ist Sinclair, Monsieur Philippe«, antwortete ich in genauso lebhaftem Ton, ebenfalls auf französisch. »Meine Sprachen sind Französisch, Englisch und Swahili.« Philips flinker Blick glitt weiter zu Jasper, und ich reagierte kaum weniger flink. »Darf ich vorstellen: Monsieur Jasper Albin, unser Fachanwalt aus Besançon«, fuhr ich fort. Und um des zusätzlichen Effekts willen: »Und erlauben Sie mir, im Namen von uns allen hier unsere verehrten afrikanischen Delegierten ganz herzlich willkommen zu heißen.«
    Meine spontane Beredsamkeit zeitigte ungeahnte Folgen – ungeahnt, so glaube ich, auch

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