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Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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über den »Anteil für das Volk«, wie er nachstehend genannt wurde, bestimmte. Halleluja! Hier endlich war die Quelle des Geldes für Schulen, Straßen, Krankenhäuser und die heranwachsende Generation, genau wie von Maxie versprochen. Hannah konnte beruhigt sein. Und ich auch.
    Ich setzte mich an die altmodische elektrische Schreibmaschine, die auf der Spiegelkommode stand, und ratterte das Ganze auf Swahili in die Tasten. Und als ich fertig war, streckte ich mich auf dem Bett aus und versuchte meinem Überschwang halbwegs Herr zu werden.
    Halb zw ölf nach Tante Imeldas Uhr. Hannah hat die Nachtschicht hinter sich, aber sie kann nicht schlafen. Sie liegt auf dem Bett, noch in ihrer Schwesterntracht, und starrt hinauf zur staubigen Decke, derselben Decke, zu der wir gemeinsam hochgeschaut haben mit all unseren Hoffnungen und Träumen. Sie denkt: Wo ist er, warum hat er nicht angerufen, werde ich ihn je wiedersehen, oder ist er ein Lügner wie die anderen? Sie denkt an ihren Sohn Noah, an den Tag irgendwann in ferner Zukunft, an dem sie mit ihm nach Goma zurückkehren wird.
    Ein kleines Flugzeug flog in niedriger H öhe über den Pavillon. Ich stürzte zum Fenster, um seine Kennzeichnung festzustellen, aber ich kam zu spät. Als der getreue Anton wieder an meine Tür klopfte, um mei nen Obolus zu kassieren und mich nach unten zu beordern, hatte ich mir l ängst gelobt, eine Vorstellung hinzulegen, wie sie die Welt noch nicht gesehen hatte.
     

8
    Atemlos trat ich hinter Anton in das Spielzimmer, wo ich vor dem Fr ühstück auf Jasper getroffen war, und stellte dort rasch einen geschickten Kulissenwechsel fest. Die Mitte der Bühne beherrschte nun eine weiße Tafel auf einer Staffelei, wie sie in Vorlesungen benutzt wird. Aus den acht Stühlen um den Tisch waren zehn geworden. Über dem ziegelgemauerten Kamin hatte man eine Bahnhofsuhr aufgehängt und daneben ein Schild, das auf französisch das Rauchen verbot. Jasper, frisch rasiert und gekämmt, lungerte an der Tür zum Gang herum, Benny immer dicht an seiner Seite.
    Ich lie ß den Blick über den Tisch wandern. Was steht bei einer anonymen Konferenz auf den Namensschildchen? Der Mwangaza hieß schlicht Mzee und hatte den Ehrenplatz in der Mitte der Wandseite zugewiesen bekommen. Flankiert wurde er von seinem treuen Jünger M . Le Secretaire und seinem nicht ganz so treuen M . Le Conseiller alias Tabby, dem laut Maxie nicht einmal bei der Uhrzeit zu trauen war. Auf der anderen Seite des Tisches, mit dem Rücken zu den Terrassentüren, war das Trio infernale plaziert, benamt lediglich mit Monsieur plus Initialen: D für Dieudonne , F für Franco und H für Honore Amour - Joyeuse , den Mister Big von Bukavu, besser bekannt als Haj. Franco als der Älteste durfte in der Mitte sitzen, gegenüber dem Mwangaza.
    Die L ängsseiten des ovalen Tisches waren demnach besetzt, womit sich das Gastgeberteam zwischen den beiden Enden aufteilen durfte: an dem einen Monsieur Le Colonel – Maxie, wie ich annahm – und neben ihm Monsieur Philippe , am anderen Jasper und ich. Und wie ich nicht umhinkonnte zu bemerken, tat man mich, während Jasper ehrerbietig mit Monsieur L ’ avoc at tituliert wurde, schnöde als Interprete ab.
    Und vor Philips Platz eine Messingglocke. Ich h öre sie heute noch. Sie hatte einen schwarzen Holzgriff und war eine Miniaturnachbildung jener Glocke, von der wir Herz-Jesu-Insassen jede einzelne Sekunde unseres Tages terrorisiert worden waren. Ihr Bimmeln hatte uns aus den Betten gerissen, uns zum Beten geordert, zum Essen geordert, auf die Toilette geordert, in die Turnhalle, ins Klassenzimmer und auf den Fußballplatz, wieder zum Beten und von da ins Bett, wo wir lagen und mit unseren Dämonen rangen. Und wie Anton mir fürsorglich erklärte, würde dieses selbe Bimmeln mich in Kürze hinunter in den Heizungskeller und wieder hoch jagen wie ein menschliches Jojo: »Er läutet damit, wenn er Sie in die Pause schickt, und er läutet wieder, wenn er euch an den Tisch zurückholen will, weil ihm langweilig ist. Aber für ein paar von uns wird’s keine Pausen geben, was, Chef?« fügte er augenzwinkernd hinzu. »Ein paar von uns werden ganz mucksmäuschenstill in einem gewissen kleinen Kabuff sitzen und warten, was sich in Spiders Spinnennetz alles so fängt.«
    Ich zwinkerte zur ück, dankbar für seine Kameradschaftlichkeit. Ein Jeep fuhr im Hof vor. Wieselflink huschte er zur Terrassent ür hinaus und war verschwunden, vermutlich, um sein

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