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Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John le Carré
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scherzhaftem Ton, wobei sein Finger erst auf Maxie und Philip zeigt, dann auf die drei schwarzen Delegierten. »Sind Sie einer von uns oder einer von denen?«
    Derart in die Enge getrieben, schwinge ich mich zu seinen rhetorischen H öhen auf. »Mwangaza, ich bin einer von allen beiden!« rufe ich ihm auf Swahili entgegen.
    Er lacht schallend auf und übersetzt meine Worte an meiner Statt ins Französische. Beifall wird an beiden Enden des Tisches laut, aber die dröhnende Stimme des Mwangaza übertönt ihn mühelos.
    »Meine Freunde. Dieser prächtige junge Bursche hier ist ein Symbol für unseren Pfad der Mitte! Nehmen wir uns seine Allumfassendheit zum Vorbild! Nein, nein, nein. Bleiben Sie da, mein Junge, bleiben Sie bitte noch einen Moment hier vorn.«
    Er meint es als Ehre, auch wenn es sich nicht so anf ühlt. Er nennt mich einen prächtigen jungen Burschen und läßt mich neben ihm stehen, während er mit seinem Zauberstock auf der Landkarte herumprügelt und den Rohstoffreichtum des Ostkongo besingt, und ich darf die Hände hinterm Rücken verschränken und die Worte meines Lehrers ohne die Hilfe meines Stenoblocks dolmetschen, womit ich den Versammelten ganz nebenbei eine Kostprobe meiner Ged ächtniskraft liefere.
    »Hier in Mwenga: Gold, meine Freunde. Hier in Kamituga: Gold, Uran, Kassiterit, Coltan und – aber nicht weitersagen – Diamanten. Hier in Kabambare: Gold, Kassiterit und Coltan.« Seine Wiederholungen sind beabsichtigt. »Hier Coltan, Kassiterit, und hier« – der Stock hebt sich und fährt etwas unbestimmt in Richtung des Albertsees – »Öl, meine Freunde, unerschlossene und vielleicht unerschöpfliche Mengen unschätzbaren Öls. Und soll ich euch noch etwas verraten? Wir haben ein kleines Wunder hier, von dem kaum jemand weiß, obwohl sich alle die Finger danach abschlecken. Es ist so rar, daß Diamanten dagegen so dicht gesät sind wie Kiesel am Strand. Es nennt sich Kamitugait, meine Freunde, und es besteht zu 56,71 Prozent aus Uran! Nun, was kann irgend jemand auf Gottes Erdboden damit wohl wollen, frage ich mich?«
    Er h ält inne, während wissendes Gelächter aufbrandet und verebbt.
    »Aber nun sagt, wer profitiert von all diesen Reichtümern?«
    Wieder wartet er, zu mir emporl ächelnd, während ich dieselbe Frage stelle, also lächle ich als Lehrers neuer Liebling auch.
    »O gewiß, die Profitgeier in Kinshasa werden ihren Anteil kassieren! Die werden sich ihre dreißig ruandischen Silberlinge nicht entgehen lassen, o nein! Aber sie werden sie nicht in Schulen und Straßen und Krankenh äuser für den Ostkongo stecken, so viel steht fest. In den vornehmen Geschäften von Johannesburg und Nairobi und Kapstadt, da werden diese Silberlinge schon eher ausgegeben. Aber nicht hier in Kivu, o nein!«
    Erneute Pause. Und das L ächeln diesmal nicht für mich, sondern für die Delegierten. Dann die nächste Frage.
    »Macht jede Lastwagenladung Coltan, die über unsere Grenzen rollt, die Menschen in Kivu reicher?«
    Der Zauberstock weist unerbittlich über den Kivu-See nach Osten.
    »Wenn das Öl nach Uganda zu fließen beginnt, fließt dann Geld zu den Menschen in Kivu? Meine Freunde, mit jedem Tag, an dem das Öl wegfließt, werden sie ärmer. Dabei sind es unsere Minen, meine Freunde, unser Öl, unsere Schätze, uns von Gott gegeben, auf daß wir sie in seinem Namen pflegen und nutzen! Und es sind keine Brunnen, die von jedem Regen neu gefüllt werden. Was die Diebe uns heute nehmen, wird weder morgen nachwachsen noch an sonst einem Tag.«
    Er sch üttelt den Kopf, und murmelt noch mehrmals »O nein« ob solch gravierender Ungerechtigkeit.
    »Und wer, so frage ich mich, verkauft diese gestohlenen Waren mit so enormem Gewinn, von dem nicht ein Cent an seine rechtmäßigen Besitzer zurückfließt? Die Antwort, meine Freunde, kennt jeder von euch! Die Schieber in Ruanda sind es! Die Geschäftemacher in Uganda und Burundi! Unsere korrupte Regierung ist es, diese ganzen Maulhelden und Profitgeier in Kin shasa, die unser Geburtsrecht an die Ausl änder verhökern und uns noch Steuern abknöpfen für ihre Mühe! Danke, mein Junge. Gute Arbeit, Monsieur. Sie dürfen sich setzen.«
    Ich setze mich und denke über Coltan nach – nicht hauptamtlich natürlich, der Mwangaza redet schließlich weiter, und ich somit auch – eher in der Art eines Nachrichtentickers, der am unteren Rand des Fernsehschirms durchläuft, während oben die eigentliche Handlung ihren Gang nimmt. Was ist Coltan? Es ist

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