Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
Vom Netzwerk:
bestimmt. »Er mag uns alle sehr.«
    Emmeline drehte sich um, und ich zog mich hinter den Türrahmen zurück. »Aber mich mag er weniger«, sagte sie. »Auf jeden Fall mag er mich nicht so sehr wie dich.«
    Hannah öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Emmeline ließ sie nicht zu Wort kommen.
    »Du brauchst gar nicht so zu tun, als wüsstest du das nicht. Ich habe gesehen, wie er mich anschaut, wenn er
meint, ich würde es nicht merken. Als wäre er verwirrt, als wüsste er nicht so genau, wer ich bin.« Ihre Augen wurden feucht, aber sie weinte nicht. »Das liegt daran, dass er mir die Schuld an Mamas Tod gibt«, flüsterte sie.
    »Das stimmt nicht.« Hannahs Wangen hatten sich gerötet. »So etwas darfst du nicht sagen. Niemand gibt dir die Schuld an Mamas Tod.«
    »Pa schon.«
    »Nein, tut er nicht.«
    »Ich hab gehört, wie Großmama zu Lady Clem gesagt hat, dass Papa seit der schrecklichen Sache mit Mama nicht mehr derselbe ist.« Dann fügte sie mit einer Bestimmtheit hinzu, die mich überraschte: »Ich will nicht, dass du mich allein lässt.« Sie stand auf, setzte sich neben Hannah und nahm ihre Hand. Eine untypische Geste, die Hannah ebenso zu schockieren schien wie mich. »Bitte.« Und dann fing sie an zu weinen.
    Eine Weile saßen die beiden nebeneinander auf der Chaiselongue. Emmeline schluchzend, während ihr letztes Wort noch in der Luft hing. Hannah blickte mit der ihr eigenen trotzigen Entschlossenheit drein, aber hinter den kräftigen Wangenknochen und dem eigensinnigen Mund entdeckte ich noch etwas anderes. Etwas Neues, das über die ganz normale Entwicklung hin zum Erwachsensein hinausging …
    Und dann begriff ich: Sie war jetzt die Älteste, und sie hatte die undefinierbare, unbedingte, unerbetene Verantwortung geerbt, die diese familiäre Stellung verlangte.
    Mit gespielter Heiterkeit wandte sie sich Emmeline zu. »Sei nicht so traurig«, sagte sie, während sie Emmelines Hand tätschelte. »Du willst doch nicht mit verheulten Augen zum Abendessen erscheinen, oder?«

    Ich schaute noch einmal auf die Uhr. Viertel nach vier. Mr Hamilton würde an die Decke gehen. Ich konnte nicht länger warten …
    Das blaue Kleid über dem Arm betrat ich das Zimmer. »Ihr Kleid, Miss?«, sagte ich zu Emmeline.
    Sie reagierte nicht. Ich tat so, als würde ich ihre tränennassen Wangen nicht bemerken, konzentrierte mich stattdessen auf das Kleid und glättete die Spitze am Ärmelrand.
    »Zieh das rosafarbene an, Emmeline«, sagte Hannah sanft. »Das steht dir am besten.«
    Emmeline rührte sich nicht.
    Ich schaute Hannah fragend an. Sie nickte. »Das rosafarbene. «
    »Und Sie, Miss?«, fragte ich.
    Sie wählte das elfenbeinfarbene Satinkleid, genau wie Emmeline es vorausgesagt hatte.
    »Wirst du heute Abend da sein, Grace?«, fragte Hannah, als ich das Satinkleid und ein Mieder aus ihrem Schrank nahm.
    »Wahrscheinlich nicht, Miss«, erwiderte ich. »Alfred ist zurück. Er wird Mr Hamilton und Nancy bei Tisch zur Hand gehen.«
    »Oh«, murmelte Hannah. »Ja.« Sie nahm ihr Buch, schlug es auf, klappte es wieder zu, fuhr mit einem Finger über den Rücken. Vorsichtig sagte sie: »Ich wollte dich das schon die ganze Zeit fragen, Grace. Wie geht es Alfred?«
    »Es geht ihm gut, Miss. Er hatte eine leichte Erkältung, als er zurückkam, aber Mrs Townsend hat ihm Zitronensaft mit Gerstenzucker zu trinken gegeben, und jetzt ist er wieder wohlauf.«
    »Sie meint nicht, wie es ihm körperlich geht«, sagte Emmeline ganz unerwartet. »Sie meint, wie es in seinem Kopf aussieht.«

    »Im Kopf, Miss?« Ich schaute Hannah an, die Emmeline stirnrunzelnd anfunkelte.
    »Stimmt doch.« Emmeline wandte sich mir zu, die Augen immer noch gerötet. »Als er gestern Nachmittag den Tee serviert hat, hat er sich sehr merkwürdig benommen. Erst hat er ganz normal wie immer das Tablett mit dem Gebäck gereicht, und dann hat das Tablett plötzlich angefangen zu zittern wie verrückt.« Sie lachte, ein hohles, unnatürliches Geräusch. »Sein ganzer Arm hat gezittert, und ich hab darauf gewartet, dass es aufhört, damit ich mir ein Zitronentörtchen nehmen kann, aber es war, als könnte er gar nicht mehr damit aufhören. Dann ist das Tablett natürlich umgekippt, und der ganze Kuchen ist auf mein schönstes Kleid gefallen. Zuerst war ich ziemlich verärgert – es war wirklich unachtsam von ihm; das Kleid hätte ruiniert sein können –, aber dann, als er so dastand mit diesem seltsamen Gesichtsausdruck, hab ich’s mit der Angst

Weitere Kostenlose Bücher