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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
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bekommen. Ich dachte, er ist vollkommen wahnsinnig geworden.« Sie zuckte die Achseln. »Irgendwann hat er sich dann wieder gefangen und den Schlamassel beseitigt. Aber der Schaden war angerichtet. Er kann von Glück reden, dass es nur mich erwischt hatte. Papa wäre nicht so nachsichtig mit ihm gewesen. Er würde sich ziemlich aufregen, wenn das heute Abend noch mal passierte.« Sie sah mich mit kalten blauen Augen an. »Du glaubst doch nicht, dass er das noch mal macht, oder?«
    »Ich weiß nicht, Miss.« Ich war völlig verblüfft. Es war das erste Mal, dass ich von dem Vorfall hörte. »Ich meine, ich glaube nicht, Miss. Alfred wird sich bestimmt tadellos benehmen.«
    »Selbstverständlich«, beeilte Hannah sich mir beizupflichten. »Es war ein Unfall, mehr nicht. Es ist sicherlich nicht leicht, sich wieder einzugewöhnen, wenn
man so lange fort war. Und diese Tabletts sehen ziemlich schwer aus, vor allem, wenn Mrs Townsend sie so vollpackt. Ich bin sicher, sie hat sich vorgenommen, uns alle zu mästen.« Sie lächelte, aber das Stirnrunzeln war noch nicht ganz verschwunden.
    »Ja, Miss«, sagte ich.
    Hannah nickte, und damit war das Thema erledigt. »Komm, Emmeline, sehen wir zu, dass wir uns anziehen, damit wir für Papas amerikanische Gäste die gehorsamen Töchter spielen können. Bringen wir es hinter uns.«

Die Dinnerparty
    A uf dem ganzen Weg den Korridor entlang und die Treppe hinunter ging mir Emmelines Bericht durch den Kopf. Aber egal, wie ich es drehte und wendete, ich gelangte immer wieder zu demselben Schluss. Irgendetwas stimmte nicht. Es passte nicht zu Alfred, sich so ungeschickt anzustellen. In all den Jahren auf Riverton konnte ich mich nur an einige wenige Gelegenheiten erinnern, wo er seine Pflichten nicht hundertprozentig erfüllt hatte. Einmal, als er in Eile war, hatte er das Getränketablett benutzt, um die Post abzuliefern, ein anderes Mal war er die Treppe hinaufgestolpert, weil er die Grippe hatte. Aber diesmal war es etwas anderes. Ein ganzes Tablett sollte er umgekippt haben? Das war beinahe unvorstellbar.
    Dennoch hatte Emmeline sich das gewiss nicht ausgedacht – aus welchem Grund auch hätte sie das tun sollen? Nein, es musste so passiert sein, und es konnte sich nur um einen Unfall gehandelt haben, so wie Hannah es gesagt hatte. Ein Moment der Ablenkung durch die untergehende Sonne, ein leichter Krampf im Handgelenk, ein rutschiges Tablett. Niemand konnte sich gegen solche Dinge schützen, erst recht niemand, der, wie Hannah betont hatte, mehrere Jahre lang fort gewesen und aus der Übung war.

    Aber so gern ich diese einfache Erklärung auch akzeptiert hätte, ich konnte es nicht. Denn irgendwo in meinem Kopf bildete sich eine kleine Ansammlung zusammenhangloser Vorkommnisse – nein, nicht einmal das –, eine Ansammlung unzusammenhängender Beobachtungen. Heftige Reaktionen auf harmlose Fragen nach seinem Befinden, Überreaktionen auf Kritik, ein Stirnrunzeln anstelle eines herzhaften Lachens. Er war ganz allgemein, bei allem, was er tat, auffallend gereizt.
    Ehrlicherweise musste ich mir eingestehen, dass es mir schon am Abend seiner Rückkehr aufgefallen war. Wir wollten eine kleine Party mit ihm feiern: Mrs Townsend bereitete ein ganz besonderes Abendessen zu, und Mr Hamilton erhielt die Erlaubnis, eine Flasche Wein aus dem Keller Seiner Lordschaft zu öffnen. Den halben Nachmittag brachten wir damit zu, im Dienstbotentrakt den Esstisch zu decken, und hatten viel Spaß dabei, alles so zu arrangieren, wie es Alfred gefallen würde. Ich glaube, wir waren alle ein bisschen trunken vor Freude an jenem Abend, ganz besonders ich.
    Als der große Augenblick gekommen war, verteilten wir uns im Zimmer und taten möglichst unbeteiligt. Erwartungsvolle Blicke wurden ausgetauscht, während wir warteten und auf jedes Geräusch von draußen lauschten. Schließlich vernahmen wir tiefe, ernste Stimmen, eine Autotür, die zugeschlagen wurde. Sich nähernde Schritte. Mr Hamilton stand auf, glättete sein Jackett und postierte sich an der Tür. Atemlose Stille, bis Alfred klopfte, dann ging die Tür auf, und der Jubel brach los.
    Es war nichts Dramatisches: Alfred beklagte sich nicht, er tobte nicht, und er wich auch nicht vor uns zurück. Er gab mir seinen Hut, und dann stand er verlegen in der Tür, als wagte er nicht einzutreten. Rang sich ein Lächeln ab. Mrs Townsend umarmte ihn und zerrte ihn über die
Schwelle wie einen aufgerollten Teppich. Sie führte ihn an seinen Platz, den

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