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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
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Ehrenplatz zur Rechten von Mr Hamilton, und wir redeten alle durcheinander, lachten und berichteten von den Ereignissen der vergangenen zwei Jahre. Das heißt, alle außer Alfred. Oh, er gab sich Mühe. Nickte, wenn es angebracht schien, antwortete auf Fragen, brachte sogar noch ein- oder zweimal ein Lächeln zustande. Aber er verhielt sich wie ein Außenstehender, wie einer von Lady Violets Belgiern, bemüht, einem Publikum zu gefallen, das versuchte, ihn zu integrieren.
    Ich war nicht die Einzige, der es auffiel. Ich sah, wie Mr Hamilton irritiert die Stirn in Falten legte, wie Nancys Miene sich verdüsterte, als hätte sie so etwas schon geahnt. Aber wir sprachen nie darüber, nur das eine Mal, an dem Tag, als die Luxtons zum Abendessen kamen, als Miss Starling ungefragt ihre Meinung äußerte. Jener Abend und die anderen Beobachtungen, die ich seit Alfreds Rückkehr gemacht hatte, wurden verdrängt. Wir gingen alle unseren Pflichten nach und hielten uns an die unausgesprochene Vereinbarung, nicht wahrzunehmen, dass sich etwas geändert hatte. Aber die Zeiten hatten sich tatsächlich geändert – und Alfred hatte sich geändert.
    »Grace!« Mr Hamilton blickte auf, als ich den untersten Treppenabsatz erreichte. »Wir haben nur noch eine halbe Stunde, und es ist noch keine einzige Platzkarte auf dem Tisch. Wie stellst du dir vor, dass die ehrenwerten Gäste Seiner Lordschaft ohne Platzkarten zurechtkommen? «
    Ich stellte mir vor, dass sie sich Plätze aussuchen würden, die ihnen besser gefielen als die, die man ihnen zugewiesen hatte. Aber ich war nicht Nancy, ich hatte noch nicht gelernt, mich anderen gegenüber zu behaupten, und so sagte ich: »Nicht sehr gut, Mr Hamilton.«

    »Nicht sehr gut, in der Tat.« Er drückte mir einen gefalteten Tischplan und einen Stapel Platzkarten in die Hand. »Und, Grace«, sagte er, als ich mich zum Gehen wandte. »Falls du Alfred irgendwo siehst, sei doch bitte so gut und frage ihn, ob er die Güte haben könnte, sich nach unten zu bequemen. Er hat noch nicht mal das Kaffeewasser aufgesetzt.«
     
    In Ermangelung einer Gastgeberin war Hannah zu ihrem großen Verdruss die Pflicht auferlegt worden, die Plätze zuzuweisen. Ihr Tischplan war hastig auf ein Blatt liniertes und am Rand ausgefranstes Papier gekritzelt.
    Die Platzkarten selbst hingegen waren säuberlich beschriftet: Schwarz auf Weiß, das Familienwappen der Ashburys in der oberen linken Ecke. Zwar fehlte ihnen die Eleganz von Lady Ashburys Karten, aber sie würden ihren Zweck schon erfüllen, und sie passten zu der vergleichsweise nüchternen Tischdekoration, die Mr Frederick bevorzugte. Zu Mr Hamiltons großem Kummer hatte Mr Frederick sich sogar entschlossen, à la Française zu dinieren (anstatt à la Russe , wie wir es gewohnt waren), was bedeutete, dass er den Fasan selbst zerteilen würde. Mrs Townsend war ebenfalls entsetzt, während Nancy, frisch von ihrem Ausflug in die Arbeitswelt außer Haus zurückgekehrt, die Entscheidung begrüßte und meinte, Seine Lordschaft habe diese Wahl sicherlich getroffen, um dem Geschmack seiner amerikanischen Gäste entgegenzukommen.
    Es stand mir nicht zu, das zu sagen, aber mir gefiel der Tisch in seiner moderneren Ausführung wesentlich besser. Ohne die baumartigen Tafelaufsätze mit den Tabletts, die überquollen von Süßigkeiten und Früchten, besaß der Tisch eine einfache Kultiviertheit, die mich beeindruckte. Das blütenweiße, an den Ecken gestärkte
Tischtuch, das säuberlich aufgereihte silberne Besteck und die glitzernden Kristallgläser.
    Ich sah genauer hin. Am Rand von Mr Fredericks Champagnerkelch befand sich ein großer Daumenabdruck. Ich hauchte die anstößige Stelle an und polierte das Glas mit einer Ecke meiner Schürze.
    Ich war so konzentriert, dass ich zusammenzuckte, als die Tür zur Eingangshalle plötzlich aufgerissen wurde.
    »Alfred!«, sagte ich. »Du hast mich erschreckt! Beinahe hätte ich das Glas fallen lassen.«
    »Du solltest die Finger davon lassen«, sagte er stirnrunzelnd. »Die Gläser sind meine Aufgabe.«
    »Da war ein Fingerabdruck drauf«, entgegnete ich. »Du weißt doch, wie Mr Hamilton ist. Er würde dir die Ohren lang ziehen, wenn er so was mitbekäme. Und die würden dir bestimmt nicht gut stehen.«
    Ein vergeblicher Versuch, die Situation mit Humor zu meistern. Irgendwo in den französischen Schützengräben war Alfreds Lachen gestorben, und er konnte nur noch Grimassen ziehen. »Ich hatte vor, sie später zu polieren.

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