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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
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Tränen aus. In einem vergeblichen Versuch, seine Schwäche zu verbergen, schlug er sich die Hände vors Gesicht. »Nein. O nein … Schau mich nicht an … bitte, Gracie, bitte …« Er weinte in seine Hände. »Ich bin so ein Feigling …«
    »Nein, du bist kein Feigling«, sagte ich bestimmt.
    »Warum kann ich es nicht aus dem Kopf bekommen? Ich will nur, dass es aus meinem Kopf verschwindet.« Mit einer Heftigkeit, die mich entsetzte, schlug er sich mit beiden Händen gegen die Schläfen.
    »Alfred! Hör auf damit!« Ich versuchte, seine Hände festzuhalten, aber er presste sie sich fest vors Gesicht. Ich wartete, sah zu, wie sein ganzer Körper geschüttelt wurde, verfluchte meine Unfähigkeit. Schließlich beruhigte er sich etwas. »Erzähl mir, was du siehst«, sagte ich.
    Er schaute mich an, sagte jedoch nichts, und einen Moment lang konnte ich mir vorstellen, wie er mich sah. Ein gähnender Abgrund tat sich auf zwischen seinen und meinen Erfahrungen. Und da wusste ich, dass er mir niemals würde erklären können, was er sah. Irgendwie begriff ich, dass gewisse Bilder, gewisse Geräusche sich nicht vermitteln und auch nicht abschütteln lassen. Dass sie sich im Kopf eines Menschen endlos wiederholen, bis sie ganz langsam in die tieferen Schichten der Erinnerung versinken und eine Zeit lang vergessen werden können.

    Und so wiederholte ich meine Frage nicht. Ich legte meine Hand an seine Wange und drückte seinen Kopf ganz sanft auf meine Schulter. Blieb ganz still sitzen, während sein Körper neben mir bebte.
    So saßen wir zusammen auf der Treppe.

Ein geeigneter Ehemann
    H annah und Teddy heirateten am ersten Samstag im Mai 1919. Es war eine schöne Hochzeit in der kleinen Kirche von Riverton. Die Luxtons hätten eigentlich London vorgezogen, damit mehr von den wichtigen Leuten aus ihrem Bekanntenkreis hätten teilnehmen können, aber Mr Frederick hatte auf Riverton bestanden, und nach den Schicksalsschlägen, die ihn in den vergangenen Monaten ereilt hatten, wagte niemand, ihm diesen Wunsch zu verwehren. Also heiratete Hannah in der kleinen Kirche im Tal, wie schon ihre Großeltern und Eltern vor ihr.
    Es regnete – Kindersegen, meinte Mrs Townsend; Tränen verflossener Liebhaber, flüsterte Nancy –, und auf den Hochzeitsfotos wimmelte es von schwarzen Regenschirmen. Später, als Hannah und Teddy in der Stadtvilla am Grosvenor Square wohnten, stand ein Foto auf dem Schreibtisch im Wintergarten. Es zeigte die sechs in einer Reihe nebeneinander: Hannah und Teddy in der Mitte, Simion und Estella strahlend auf der einen, Mr Frederick und Emmeline mit ausdruckslosen Gesichtern auf der anderen Seite.
    Ah, du wunderst dich, Marcus, wie es so weit kommen konnte? Hannah war doch so sehr gegen die Ehe und hatte ganz andere Pläne. Und Teddy: vernünftig, ja
sogar liebenswürdig, aber gewiss nicht der Mann, der einer jungen Frau wie Hannah den Kopf verdreht hätte …
    Doch in Wirklichkeit war es gar nicht so kompliziert. Das sind solche Dinge in den seltensten Fällen. Manchmal muss dem Schicksal einfach ein bisschen auf die Sprünge geholfen werden.
     
    Am Morgen nach der Dinnerparty brachen die Luxtons nach London auf. Sie hatten dort geschäftlich zu tun, und wir alle gingen davon aus – wenn wir überhaupt einen Gedanken daran verschwendeten –, dass wir sie zum letzten Mal gesehen hatten.
    Unser Augenmerk galt nämlich längst dem nächsten großen Ereignis. Denn während der kommenden Woche würde ein ganzer Trupp tatkräftiger Frauen in Riverton einfallen, die mit der gewichtigen Aufgabe betraut waren, Hannahs Einführung in die Gesellschaft zu überwachen. Der Januar war der Höhepunkt der Ballsaison, und man durfte auf keinen Fall riskieren, dass das eigene Fest mit einem anderen, womöglich noch größeren Ball zusammenfiel, bloß weil man zu lange gewartet hatte. Daher hatte man das Datum – 20. Januar – schon frühzeitig festgelegt und die Einladungen verschickt.
    An einem Morgen Anfang des neuen Jahres servierte ich Lady Clementine und Lady Ashbury den Tee im Salon. Sie saßen über Terminkalender gebeugt nebeneinander auf der Chaiselongue.
    »Fünfzig ist eine gute Anzahl«, sagte Lady Violet. »Es gibt nichts Schlimmeres als eine leere Tanzfläche.«
    »Nur eine überfüllte«, erwiderte Lady Clementine herablassend. »Aber unter den derzeitigen Umständen brauchen wir uns darüber nicht den Kopf zu zerbrechen. «

    Sorgenvoll überflog Lady Violet die Gästeliste. »Meine Liebe«, sagte

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