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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
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regelrecht zu genießen. Ihr Wohlbefinden nährte sich aus der Unzufriedenheit der anderen, und wenn es sein musste, bereitete es ihr keinerlei Gewissensbisse, irgendeiner ahnungslosen Seele ein Unglück zuzufügen. Ich lernte sehr schnell, dass ich in Nummer siebzehn nur überleben konnte, wenn ich mich zurückhielt und vor allem auf der Hut war.
    An einem regnerischen Vormittag traf ich Hannah allein im Salon an. Teddy und Simion waren gerade in ihre Büroräume in der Stadt aufgebrochen, und sie
stand am Fenster und schaute auf die Straße. Automobile, Fahrräder, Leute, die geschäftig in alle Richtungen eilten.
    »Wünschen Sie Ihren Tee, Ma’am?«, fragte ich.
    Keine Antwort.
    »Oder soll ich den Chauffeur bitten, den Wagen vorzufahren? «
    Als ich näher trat, wurde mir klar, dass Hannah mich nicht gehört hatte. Sie war in Gedanken vertieft, die ich leicht erraten konnte. Sie langweilte sich. Ich kannte den Gesichtsausdruck aus alten Tagen auf Riverton, wenn sie mit der chinesischen Schachtel in der Hand am Kinderzimmerfenster gestanden und darauf gewartet hatte, dass David eintraf und sie endlich das SPIEL spielen konnten.
    Ich räusperte mich. Als sie sich umdrehte und mich erblickte, hellte sich ihre Miene ein wenig auf. »Hallo, Grace«, sagte sie.
    Erneut fragte ich sie, wo sie ihren Tee zu trinken wünsche.
    »Im Wintergarten«, antwortete sie. »Aber sag Mrs Tibbit, ich möchte keine Scones. Ich habe keinen Appetit. Allein zu essen macht mir keinen Spaß.«
    »Und danach, Ma’am?«, fragte ich. »Soll ich den Wagen vorfahren lassen?«
    Hannah verdrehte die Augen. »Noch eine Runde durch den Park, und ich werde wahnsinnig. Ich begreife nicht, wie die anderen Ehefrauen das ertragen. Haben sie wirklich nichts Besseres zu tun, als sich tagein tagaus im Kreis herumfahren zu lassen?«
    »Möchten Sie sich vielleicht mit Ihrer Nadelarbeit beschäftigen, Ma’am?«, fragte ich, obwohl ich wusste, dass sie das natürlich nicht wollte. Für die Stickerei hatte Hannah sich noch nie sonderlich interessiert. Dafür war
eine Geduld nötig, die ihrem Temperament nicht entsprach.
    »Ich werde ein bisschen lesen, Grace«, sagte sie. »Ich habe ein Buch mitgebracht.« Sie hielt ihre zerlesene Ausgabe von Jane Eyre hoch.
    »Schon wieder, Ma’am?«
    Sie zuckte lächelnd die Achseln. »Schon wieder.«
    Ich weiß nicht, warum es mich so beunruhigte, aber das tat es. Es ließ ein Warnsignal in mir ertönen, das ich nicht zu deuten wusste.
     
    Teddy arbeitete hart, und Hannah gab sich große Mühe. Sie ging auf seine Partys, plauderte mit den Ehefrauen seiner Geschäftspartner und mit den Müttern von Politikern. Die Gespräche zwischen den Männern drehten sich immer um dieselben Themen: Geld, Geschäfte, die Bedrohung durch die Arbeiterklasse. Wie alle Männer seines Typs war Simion von einem tiefen Argwohn gegenüber den sogenannten »Bohemiens« beseelt. Und entgegen seiner guten Absichten übernahm Teddy mit der Zeit die Haltung seines Vaters.
    Hannah hätte lieber mit den Männern über Politik diskutiert. Manchmal, wenn sie und Teddy sich zur Nacht in ihre aneinandergrenzenden Suiten zurückzogen, fragte Hannah ihn beispielsweise, was dieser oder jener zu den neuen Ehegesetzen in Irland gesagt hatte. Dann lächelte er sie nur müde an und riet ihr, sich nicht ihren hübschen Kopf über solche Dinge zu zerbrechen. Das solle sie lieber ihm überlassen.
    »Aber ich möchte es wissen«, sagte Hannah dann. »Es interessiert mich.«
    Doch Teddy schüttelte den Kopf. »Politik ist Männersache. «
    »Lass mich daran teilhaben«, bat Hannah.

    »Das tue ich doch«, erwiderte er. »Wir sind ein Team, du und ich. Deine Aufgabe besteht darin, dich um die Ehefrauen zu kümmern.«
    »Aber das langweilt mich. Diese Frauen langweilen mich. Ich möchte über wichtige Themen diskutieren. Ich begreife nicht, warum das nicht möglich ist.«
    »Ach, Liebling«, sagte Teddy dann. »So sind nun mal die Regeln. Ich habe sie nicht gemacht, aber ich muss mich daran halten.« Dann lächelte er und tätschelte ihr die Schulter. »Es ist doch nicht alles schlecht, oder? Zumindest hast du meine Mutter und Deborah zur Seite. Deb ist doch in Ordnung, nicht wahr?«
    Hannah blieb nichts anderes übrig, als widerstrebend zu nicken. Es stimmte sogar: Deborah war immer hilfsbereit. Und sie würde Hannah weiterhin eine Stütze sein, jetzt, wo sie sich entschlossen hatte, nicht nach New York zurückzukehren. Eine Londoner Zeitschrift hatte ihr

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