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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
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wird wählerischer. Das Fremdartige, das man früher so aufregend fand, macht einen dann eher nervös. Nehmen Sie zum Beispiel Paris; ich war erst kürzlich dort. Früher war ich ganz begeistert von Paris, aber die ganze Stadt geht vor die Hunde. Kein Respekt vor Tradition. Sie müssten mal sehen, wie die Frauen sich dort kleiden!«
    »Ach, Teddy«, lachte Deborah. »Du hast wirklich keine Ahnung vom Pariser Chic.«
    »Ich weiß ja, dass du für die Franzosen und ihre Stoffe eine Menge übrig hast«, sagte Teddy. »Und für euch alleinstehende Frauen mag das ja auch ganz amüsant
sein. Aber meiner Frau würde ich niemals gestatten, sich derart in der Weltgeschichte herumzutreiben!«
    Hannah brachte es nicht fertig, Robbie anzusehen. Den Blick auf ihren Teller geheftet, stocherte sie in ihrem Essen herum und legte schließlich die Gabel beiseite.
    »Reisen öffnen einem die Augen für andere Kulturen«, sagte Robbie. »In Fernost bin ich einmal zu Gast bei einem Volksstamm gewesen, wo die Männer Muster in die Wangen ihrer Frauen ritzten.«
    Emmeline schnappte nach Luft. »Mit einem Messer?«
    Teddy schluckte entgeistert ein Stück halb gekautes Fleisch hinunter. »Warum zum Teufel?«
    »Ehefrauen gelten dort als Objekte, die nur zum Vergnügen der Männer da sind und natürlich stolz vorgezeigt werden«, erklärte Robbie. »Und die Ehemänner betrachten es als ihr von Gott gegebenes Recht, ihre Frauen nach Belieben zu schmücken.«
    »Barbaren«, sagte Teddy kopfschüttelnd, während er Boyle bedeutete, Wein nachzuschenken. »Und die wundern sich, wenn wir es als unsere Pflicht betrachten, sie zu zivilisieren.«
     
    Nach diesem Abend ließ sich Robbie mehrere Wochen lang nicht sehen. Hannah dachte, er hätte sein Versprechen, ihr seinen Gedichtband zu leihen, längst vergessen. Wahrscheinlich war es typisch für ihn, vermutete sie, sich erst zum Dinner einladen zu lassen, leere Versprechungen zu machen und dann spurlos zu verschwinden. Sie war nicht gekränkt, nur enttäuscht über sich selbst, dass sie auf ihn hereingefallen war, und beschloss, nicht weiter darüber nachzudenken.
    Doch als sie vierzehn Tage später in dem kleinen Buchladen auf der Drury Lane vor dem Regal mit den Autoren von H bis J stand und das Buch mit Robbies erster
Gedichtsammlung entdeckte, kaufte sie es. Schließlich hatte sie seine Gedichte geschätzt, lange bevor sie wusste, was für ein unzuverlässiger Mann ihr Autor war.
    Dann starb Vater, und damit war Robbie vorerst völlig vergessen. Nachdem die Nachricht vom plötzlichen Tod ihres Vaters eingetroffen war, fühlte Hannah sich, als hätte sie einen Anker verloren, als würde sie aus sicheren Gewässern in ein Meer hinausgespült, dessen Gezeiten sie nicht kannte und dem sie nicht traute. Das war natürlich lächerlich. Sie hatte Vater so lange nicht gesehen, denn er hatte sich seit ihrer Hochzeit geweigert, sie zu empfangen, und ihr war es nicht gelungen, ihn umzustimmen. Dennoch war er ihr zeit seines Lebens ein Halt gewesen, und diesen Halt hatte sie jetzt verloren. Sie fühlte sich von ihm im Stich gelassen. Sie hatten sich oft gestritten, das gehörte einfach zu ihrer ungewöhnlichen Beziehung, aber sie hatte immer gewusst, dass er ganz besonders an ihr hing. Und nun war er nicht mehr da. Nachts träumte sie von dunklen Meeren, leckgeschlagenen Schiffen, unbarmherzigen Wogen. Und tagsüber begann sie erneut, über die Worte der Wahrsagerin nachzugrübeln, die von Tod und Dunkelheit gesprochen hatte.
    Vielleicht würde alles anders werden, wenn Emmeline erst ganz in ihre Stadtvilla zog, sagte sie sich. Denn nach Vaters Tod war beschlossen worden, dass Hannah als eine Art Vormund für Emmeline fungieren sollte. Besser, sie behielten sie im Auge, hatte Teddy gemeint, nach dieser unsäglichen Geschichte mit dem Filmregisseur. Je länger Hannah darüber nachdachte, umso mehr sah sie dem Zeitpunkt mit freudiger Erwartung entgegen. Sie würde eine Verbündete im Haus haben. Jemanden, der sie verstand. Sie würden abends lange zusammensitzen, plaudern und lachen, einander Geheimnisse anvertrauen, so wie sie es als Kinder getan hatten.

    Doch als Emmeline in London eintraf, hatte sie ganz andere Vorstellungen. Die Stadt hatte sie schon immer fasziniert, und sie stürzte sich mit Begeisterung in das gesellschaftliche Leben, für das sie so sehr schwärmte. Jeden Abend ging sie auf eine andere Kostümparty – auf »weiße Partys«, »Zirkuspartys«, »Unterseepartys« –, Hannah konnte gar

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