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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
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von schwarzen Gewässern, verlassenen Schiffen und fernen Nebelhörnern, deren Ruf von den Wellen an einsame Küsten getragen wird.
    2
    Robbie kam zurück. Ohne eine Erklärung für seine lange Abwesenheit abzugeben, setzte er sich in Teddys Sessel, als wäre er gestern erst da gewesen, und überreichte Hannah seinen ersten Gedichtband. Als sie ihm gerade sagen wollte, dass sie bereits ein Exemplar davon besaß, zog er ein weiteres Buch aus seiner Jackentasche. Ein kleines mit grünem Einband.
    »Für Sie«, sagte er und reichte es ihr.
    Hannah blieb fast das Herz stehen, als sie den Titel las. Es war Ulysses von James Joyce, ein Buch, das überall verboten war.
    »Woher …«
    »Von einem Freund in Paris.«
    Hannah fuhr mit den Fingerspitzen über den Schriftzug auf dem Buchdeckel. Sie wusste, dass die Geschichte von einem Ehepaar und ihrer zum Scheitern verurteilten
sexuellen Beziehung handelte. Sie hatte Auszüge des Buchs in der Zeitung gelesen – das heißt, Teddy hatte sie ihr vorgelesen. Er hatte den Text als Schmutz bezeichnet, und sie hatte zustimmend genickt. In Wahrheit hatte sie ihn auf seltsame Weise ergreifend gefunden. Aber sie konnte sich Teddys Reaktion vorstellen, wenn sie ihm das gesagt hätte. Er hätte sie wohl für geisteskrank erklärt und ihr geraten, einen Arzt aufzusuchen. Und vielleicht hatte er ja sogar recht.
    Aber so aufregend sie es fand, den Roman zu lesen, wusste sie nicht so recht, was sie davon halten sollte, dass ausgerechnet Robbie ihn ihr mitgebracht hatte. Hielt er sie für eine Frau, für die solche Texte alltägliche Lektüre waren? Oder schlimmer noch: Erlaubte er sich einen Scherz mit ihr? Hielt er sie für prüde? Als sie ihn gerade danach fragen wollte, sagte er:
    »Das mit Ihrem Vater tut mir leid.« Einfache Worte, mitfühlend.
    Und ehe sie dazu kam, etwas zu Ulysses zu sagen, brach sie in Tränen aus.
     
    Niemand schenkte Robbies Besuchen viel Beachtung. Zumindest anfangs nicht. Natürlich kam auch niemand auf die Idee, dass sich zwischen ihm und Hannah irgendetwas Unschickliches abspielen könnte. Hannah wäre die Erste gewesen, derartige Verdächtigungen von sich zu weisen. Jeder wusste, dass Robbie ein Freund ihres Bruders gewesen war, dass er diesem in seinen letzten Stunden beigestanden hatte. Falls er ein wenig außergewöhnlich, vielleicht nicht ganz respektabel wirkte – was Boyle nach wie vor fand –, so ließ sich das leicht mit den mysteriösen Auswirkungen des Kriegs erklären.
    Robbie kam nicht regelmäßig, seine Besuche waren nie verabredet, aber Hannah begann sich auf ihn zu
freuen, ja auf ihn zu warten. Manchmal war sie allein, manchmal waren Emmeline oder Deborah bei ihr. Aber das spielte alles keine Rolle mehr. Für Hannah wurde Robbie zum Rettungsanker. Sie diskutierten über Bücher und über das Reisen. Über weit hergeholte Ideen und weit entfernte Orte. Er schien Hannah inzwischen so gut zu kennen. Es war beinahe, als wäre David zurückgekehrt. Sie begann sich nach ihm zu sehnen, wurde rastlos zwischen zwei Besuchen, fühlte sich von allem anderen gelangweilt.
    Wäre Hannah in Ihren Gedanken nicht so sehr mit Robbie beschäftigt gewesen, hätte sie vielleicht bemerkt, dass sie nicht die Einzige war, die seinen Besuchen entgegenfieberte. Vielleicht wäre ihr aufgefallen, dass Deborah neuerdings häufiger zu Hause blieb. Aber sie bemerkte es nicht.
    Es traf sie völlig unerwartet, als Deborah eines Morgens im Salon ihr Kreuzworträtsel weglegte und sagte: »Mr Hunter, ich gebe nächste Woche eine kleine Soiree, um den neuen Chanel-Duft vorzustellen, und wissen Sie, was? Ich bin die ganze Zeit so beschäftigt gewesen mit der Organisation, dass ich gar nicht dazu gekommen bin, mir einen Begleiter zu suchen.« Sie lächelte ihn mit ihren roten Lippen an und zeigte dabei ihre weißen Zähne.
    »Ich glaube kaum, dass das für Sie ein Problem ist«, erwiderte Robbie. »Wahrscheinlich stehen die Männer Schlange nach einer Eintrittskarte in die Glitterwelt der feinen Gesellschaft.«
    »Selbstverständlich«, antwortete Deborah, der Robbies Ironie entgangen war. »Trotzdem ist es verflixt kurzfristig, um noch jemanden zu finden.«
    »Lord Woodall wird dich bestimmt gern begleiten«, sagte Hannah.

    »Lord Woodall ist verreist«, entgegnete Deborah hastig. Wieder lächelte sie Robbie an. »Und allein kann ich mich unmöglich blicken lassen.«
    »Emmeline behauptet, es ist neuerdings groß in Mode, allein auf einer Party zu erscheinen«, sagte

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