Geheime Spiel
Hannah.
Deborah tat, als hätte sie die Bemerkung nicht gehört. Sie schaute Robbie an und klimperte mit den Wimpern. »Es sei denn …« Mit einer Schüchternheit, die überhaupt nicht zu ihr passte, schüttelte sie den Kopf. »Nein, natürlich nicht.«
Robbie schwieg.
Deborah schürzte die Lippen. »Es sei denn, Sie würden mich begleiten, Mr Hunter?«
Hannah hielt den Atem an.
»Ich?«, erwiderte Robbie lachend. »Lieber nicht.«
»Warum nicht?«, fragte Deborah. »Wir würden uns bestimmt köstlich amüsieren.«
»Auf diesem Parkett kenne ich mich nicht aus«, sagte Robbie. »Ich würde mich fühlen wie ein Fisch an Land.«
»Ich bin eine gute Schwimmerin«, entgegnete Deborah. »Ich würde Sie schon über Wasser halten.«
»Trotzdem«, sagte Robbie. »Nein.«
Nicht zum ersten Mal stockte Hannah der Atem. Es mangelte ihm auf eine Weise an Schicklichkeit, die nicht das Geringste mit der aufgesetzten Vulgarität von Emmelines Freunden zu tun hatte. Er war aufrichtig und, wie Hannah fand, dabei überaus hinreißend.
»Ich bitte Sie, es sich noch einmal zu überlegen«, sagte Deborah mit beinahe schriller Stimme, weil sie ihre Felle davonschwimmen sah. »Alles, was Rang und Namen hat, wird dort sein.«
»Diese Leute interessieren mich nicht«, antwortete Robbie trocken, inzwischen leicht gelangweilt. »Zu viele
Leute, die zu viel Geld ausgeben, um diejenigen zu beeindrucken, die zu dumm sind, es zu durchschauen.«
Deborah öffnete den Mund. Machte ihn wieder zu.
Hannah hatte Mühe, ein Lächeln zu unterdrücken.
»Also, wenn Sie sich ganz sicher sind«, sagte Deborah.
»Absolut«, erwiderte Robbie gut gelaunt. »Trotzdem vielen Dank.«
Deborah rüttelte die Zeitung auf ihrem Schoß zurecht und tat so, als widmete sie sich wieder ihrem Kreuzworträtsel. Die Brauen hochgezogen, die Wangen eingesogen wie ein Fisch, schaute Robbie Hannah an. Da konnte Hannah sich nicht länger beherrschen. Sie lachte.
Deborahs Kopf fuhr hoch, sie funkelte erst Hannah, dann Robbie an. Hannah erkannte diesen Blick: Deborah hatte ihn zusammen mit ihrem Jagdfieber von Simion geerbt. Ihre Lippen spannten sich um den bitteren Geschmack der Niederlage. »Sie sind doch ein Wortkünstler, Mr Hunter«, sagte sie kühl. »Ein anderes Wort für ›Taktlosigkeit‹, das mit ›F‹ anfängt, sieben Buchstaben?«
Wenige Tage später beim Abendessen rächte sich Deborah für Robbies Fauxpas.
»Mr Hunter war ja heute wieder hier«, sagte sie, während sie ein Klößchen aufspießte.
»Er hat mir ein Buch mitgebracht, von dem er meinte, dass es mich interessieren könnte«, sagte Hannah.
Deborah warf einen Blick zu Teddy hinüber, der am Kopfende des Tischs saß und gerade seinen Fisch filetierte. »Ich hoffe bloß, dass Mr Hunters Besuche nicht anfangen, das Personal zu beunruhigen.«
Hannah legte ihr Besteck zur Seite. »Ich wüsste nicht, warum das Personal Mr Hunters Besuche als beunruhigend empfinden könnte.«
»Nein«, erwiderte Deborah und richtete sich auf. »Ich hatte befürchtet, dass du das nicht sehen würdest. Das wäre ja auch das erste Mal, dass du dich für das Personal verantwortlich fühlst«, sagte sie langsam, jedes einzelne Wort betonend. »Dienstboten sind wie kleine Kinder, meine Liebe. Sie brauchen feste Gewohnheiten, ja, sie sind regelrecht darauf angewiesen. Und wir, die über ihnen stehen, müssen ihnen diesen sicheren Rahmen bieten.« Sie neigte den Kopf. »Aber wie du weißt, kommt Mr Hunter stets unangemeldet. Und wie er selbst zugibt, hat er keine Ahnung von höflichem Umgang. Er ruft nicht einmal an, um seinen Besuch anzukündigen. Mrs Tibbit gerät jedes Mal in helle Aufregung, wenn plötzlich Tee für zwei verlangt wird, anstatt für eine Person. Das ist wirklich nicht fair. Meinst du nicht auch, Teddy?«
»Wie?« Er blickte von seinem Fischkopf auf.
»Ich sprach gerade darüber, wie bedauerlich es ist«, sagte Deborah, »dass das Personal in letzter Zeit so beunruhigt ist.«
»Das Personal ist beunruhigt?«, wiederholte Teddy. Natürlich teilte er die große Angst seines Vaters, dass die Bediensteten eines Tages den Aufstand proben könnten.
»Ich werde mit Mr Hunter reden«, sagte Hannah hastig. »Ich werde ihn bitten, seine Besuche demnächst telefonisch anzukündigen.«
Deborah tat so, als dächte sie darüber nach. »Nein«, sagte sie kopfschüttelnd. »Ich fürchte, dazu ist es zu spät. Ich denke, es wäre das Beste, wenn er seine Besuche ganz einstellen würde.«
»Meinst du
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