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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Morton
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Chelsea Bridge am Thames Embankment festgemacht war. Er hatte es nach dem Krieg in Frankreich jemandem abgekauft und war damit nach London gesegelt. Es war ein robustes kleines Boot und durchaus hochseetauglich, auch wenn es auf den ersten Blick nicht den Anschein haben mochte.
    Die Kabine war erstaunlich gut ausgestattet: Der gesamte Innenraum war mit Holzpaneelen verkleidet, es gab eine winzige Küche mit glänzenden Kupfertöpfen, die an Haken hingen, und einen Wohnbereich mit einem Klappbett unter einer Reihe von kleinen Fenstern. Es gab sogar eine Dusche und ein WC. Dass er an einem so ungewöhnlichen Ort lebte, so anders als alles, was sie je gesehen hatte, machte das Ganze nur noch abenteuerlicher. Die gestohlenen Stunden der Nähe an einem so geheimen Ort hatten etwas ganz besonders Köstliches, fand Hannah.
    Ihre Treffen waren leicht zu arrangieren. Robbie kam, um Emmeline abzuholen, und während er auf sie wartete, steckte er Hannah einen Zettel zu, auf dem stand, wann sein Boot an welcher Brücke liegen würde. Hannah überflog den Zettel, nickte, und sie trafen sich. Manchmal kam es vor, dass sie eine Verabredung nicht einhalten konnte – wenn Teddy auf ihrer Anwesenheit bei einem Geschäftsessen bestand oder Estella sie wieder einmal für irgendein Komitee eingetragen hatte. Dann hatte sie keine Möglichkeit, ihn zu benachrichtigen, und jedes
Mal quälte sie die Vorstellung, dass er vergeblich auf sie wartete.
    Aber in den meisten Fällen klappte es. Zu Hause gab sie vor, mit einer Freundin zum Mittagessen verabredet zu sein oder bummeln zu gehen, und dann verschwand sie. Stets achtete sie darauf, nicht zu lange fortzubleiben. Alles, was länger dauerte als einen halben Tag, würde Verdacht erregen. Heimliche Liebe macht erfinderisch, und Hannah lernte schnell, sich spontane Erklärungen einfallen zu lassen, wenn sie unerwartet jemandem über den Weg lief. Einmal traf sie Lady Clementine am Oxford Circus. Wo ihr Fahrer sei, wollte Lady Clementine wissen. Sie sei zu Fuß unterwegs, antwortete Hannah. Bei dem wunderbaren Wetter habe sie Lust auf einen Spaziergang verspürt. Aber Lady Clementine war nicht auf den Kopf gefallen. Sie fixierte Hannah mit zusammengekniffenen Augen, nickte wissend und riet ihr, auf der Hut zu sein. Die Straßen hätten Augen und Ohren.
    Die Straßen vielleicht, aber nicht die Themse. Zumindest nicht die Sorte Augen und Ohren, vor der Hannah sich hätte hüten müssen. Damals sah die Themse noch ganz anders aus. Sie war eine viel befahrene Wasserstraße: Kohleschlepper unterwegs zu Fabriken, Lastkähne, die alle möglichen Güter transportierten, Fischerboote, die ihre Ware zum Markt brachten; und am Kanal entlang Treidelpfade mit kräftigen, gutmütigen Zugpferden, die unentwegt von frechen Möwen attackiert wurden.
    Hannah liebte die Stunden auf der Themse. Sie konnte es gar nicht fassen, dass sie schon so lange in London lebte und das Herz der Stadt dabei nicht entdeckt hatte. Natürlich war sie hin und wieder über eine der vielen Brücken geschlendert, war von ihrem Chauffeur oft genug hinübergefahren worden. Aber nie hatte sie dem pulsierenden Leben unter den Brücken die geringste Beachtung
geschenkt. Wenn sie überhaupt je einen Gedanken an die Themse verschwendet hatte, dann nur, weil sie ein Hindernis darstellte, das überwunden werden musste auf dem Weg in die Oper, in eine Kunstgalerie, ins Museum.
    Ihre Treffen folgten einem festen Ritual. Hannah verließ das Haus und begab sich zu der von Robbie bezeichneten Brücke. Manchmal in einer ihr vertrauten Gegend, manchmal in einem ihr völlig unbekannten Teil Londons. Sie fand die Brücke, ging zum Kai hinunter und suchte nach seinem kleinen, blauen Boot.
    Stets war er schon vor ihr da und erwartete sie. Wenn sie sich dem Boot näherte, streckte er eine Hand aus und half ihr an Bord. Sie gingen nach unten in die Kabine, zogen sich zurück von der geschäftigen, lärmenden Welt und tauchten ein in ihre eigene.
    Manchmal überwältigten ihre Gefühle sie bereits, bevor sie in der schützenden Kabine waren. Dann hielt er sie in seinen Armen und küsste sie, noch ehe sie etwas sagen konnte.
    »Ich habe so lange gewartet«, sagte er dann, wenn sie Stirn an Stirn voreinander standen, »dass ich schon dachte, du würdest nie mehr kommen.«
    Und dann gingen sie hinein.
     
    Hinterher lagen sie manchmal noch zusammen und ließen sich sanft auf den Wellen schaukeln. Erzählten einander von ihrem Leben. Wie Geliebte es tun,

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